(CXCV.)

Die freywillige Unsinnigkeit.

[699] Es draute einer seinem Freunde / der den Trunk sehr liebte / er wolle ihn machen von Sinnen[699] kommen: darüber lachte der andre und sagte / daß er den Verstand von Gott und von keinem Menschen enpfangen / stünde also nicht in seinen Mächten: zu deme wolte er sich solches zu ihm als seinem Freunde nicht versehen / massen ihme sein ärgster Feind nichts bösers thun könte / weil der Verstand allein die Menschen von dem Vieh unterscheide. Wol / versetzte der erste / thu ich es nicht / so wird es doch einer thun den du sehr liebest.

2. Dieses wolte der Weinschlauch nicht glauben /biß er sich bezechet / und sich als ein unsinniger Mensch gestellet / da ihm dann sein Freund die Rähtsel aufgelöset / daß es nemlich der Wein were / den er sehr liebete / welcher jhn seines Verstands beraubte /dessen er doch / als eines Erbfeindes der Tugend müssig gehen solte. Er aber antwortete / daß man auch die Feinde lieben solte / und hat solche Thorheit erst in seinem kranken Alter erkant / als er das Sprichwort im Werke erfahren: Ein wollustige Jugend bringt ein unlustiges Alter.

3. Viel mehr ersauffen in dem Weinfaß / als in dem Meer: vielmehr erleget Bacchus als Mars vielmehr tödten sich selbsten / als von ihren Feinden getödtet werden: und scheinet das Laster der Trunkenheit nicht so abscheulich und nachtheilig / als es ist: Der Wein /sagt Sirach / gläntzet schön in dem Glas: er vergifftet dich aber wie eine Schlange / wann man nemlich nach dem Becher der Fröligkeit / den Trunk der Unsinnigkeit auszechet / daß der Wein ein / die Vernunfft ausgehet / und dadurch sich und andre in Leibs und der Seelen Gefahr setzet / wie hiervon etliche Erzehlungen folgen sollen.

4. Im Jahre 1517. an einen Sonnabend hat sich ein Knecht zu groß Glockau in Schlesien vollgetruncken /und aus Unachtsamkeit das Hauß darinnen er gewesen / angezůndet / welche also bald durch den Wind die schönsten Häuser in Brand gebracht / und bey 80. Personen verbrennt und mit Rauch erstecket. In der gantzen Statt bliebe nichts stehen / als[700] die Haubt-Kirchen / und etliche wenig Häuser / welche nechst denselben gebauet waren. Dieses geschahe die Nacht vor dem Fest deß H. Stanislai / welcher deß Königreichs Polen und sonderlich der Statt Glogkau Schutz Herr seyn sol. Joach. Curaus in den Schlesischen Jahrbücher oder Annalibus.

5. Gantz Livland ist wegen der Trunkenheit und Füllerey dem Moscoviter unterthänig worden / welche anfangs darinnen sehr tyrannisiret. Der Ritter von den Teutschen Orden / so einen Anfang mit den Rittern von Malta genommen / solten dieses Land vertheidigen: sie aber waren allen Lastern / und sonderlich fressen und sauffen er geben / daß sie auch die Dolchen neben die grossen Gläser auf den Tisch gestossen / und wol den / der nicht bescheid thun wollen /darmit nieder gemachet. Als nun der Feind / die Muscoviter im Anzuch gewesen / und biß an Riga gestreifft / haben diese keine Lust zu fechten gehabt /und gezittert wie das Laub an den Bäumen / bevor sie des Feindes ansichtig worden. Bald hernach sind sie niedergehauet worden / und jämmerlich üm deß Landes Herrschafft / und auch ům das Leben gekommen.

6. Ein Niederländer zu Arnheim hat sich täglich bezechet und Zank gesuchet. Dieser war auf seine Zeit so voll als ein Ey / und funge mit seiner Weinbrüder einem unnöhtige Händel an. Von den Worten kame es zu den Schlägen / darüber wird er mit einem Messer in das Aug gestossen / daß viel Blut daraus rann. Ob man nun vermeinte der Stoß were nicht gefährlich /hat er doch also bald die Rede verlohren / und ist die drey und zwantzigste Stunde darnach verschieden Unter den Wundärtzten war ein Streit / ob er von der Verwundung / oder von keinem andern Zufall gestorben: Die Obrigkeit aber hat den Thäter enthaubten lassen. B. Ronsæus in epist. 12. Medicin.

7. Zu Lyon war einer Namens N. Chanourrus ein grosser Trunkenpold / welchem der Tag zu kurtz war sich mit Wein anzufůllen / und die Nacht[701] nicht lang genug wieder aus zu nüchtern. Wann er nun gantz bezecht nach Hause kame / zankte und haderte er mit seinem Weibe / legte ihr auch / wann sie das Meister-Lied singen wolte / die Faust auf die Wangen / deßwegen sie sich zu rächen entschlossen / und als er auf eine Zeit im Trunk entschlaffen / hat sie ihrem Manne die Gurgel abgeschnitten / ein Beck genommen / und das Blut darein gesamlet / ihn auch / solchen Mord zu bergen in Stücke zerhauen / und in das Wasser geworffen / welches sie alles so klüglich zu Werke gerichtet / daß man auch nicht einen Tropffen Blut in dem gantzen Hause sehen können. In die unterschiedene Säcke / welche sie darzu machen und pichen lassen / hat sie benebens dem Leichnam auch Steine hinein gethan / damit sie bald zu Grunde sinken: doch hat sie diese That nicht bergen können / sondern ist allezeit erschrocken / wann jemand nach ihrem Manne gefragt hat: darüber ist sie in Verhafft kommen / und als eine Mörderin abgestraffet worden.

8. Ein Edelmann bey Brissac angesessen / hatte mehr Wein zu sich genommen / als er tragen kunte /und wolte sein Pferd herüm schürtzen: wird aber von demselben abgeworffen / geschleifft / mit Fůssen getretten / und so jämmerlich zugerichtet / daß er sein Leben selbe Stund elendiglich aufgeben müssen. J. Gast in seinem Tischgesprächen.

9. Im Jahre 1551. lagen 400 Gůlchische Reiter zu Reitlingen / darunter zween mit einander üm 10. Fl. eine Wette getrunken: da der eine 27. der andre 23. Mase gesoffen. Haben aber beede ein elendes End genommen.

10. Zu Utrecht in Niederland hat sich einer also betrunken / daß er in seiner Kammer neben dem Camin /daß er mit Feuer angeschürt / entschlaffen / und in die Flamme gefallen: weil er nun nicht so viel Stärke gehabt daß er sich heraus wältzen / oder aufstehen können / hat er sich erbärmlich verbrennet / und weil die Kammer versperret keine Hülffe und Rettung haben können / biß man den andern Tag diesen halbgebratnen[702] rüllen und brüllen hören / wie einen Ochsen deßwegen die Kammer aufbrechen müssen: da man diesen elenden Menschen gefunden. Ob man nun allerhand Brandleschungen gebrauchet / hat ihme doch nicht mögen geholffen werden: sondern er ist mit grossem Schmertzen / ohne allen Verstand / den dritten Tag verschieden.

11. Die Soldaten verübten in einem Dörflein in Schwaben grossen Ubermut / und hielten die Bauren sehr übel / nach deme sie sich aber bezecht und als die Todten geschlaffen / haben sich die Bauren erkůhnet / und sie in dem Wirtshaus todt geschlagen solches hat ein Soldaten Weib den andern Fahnen verkundschafft / die morgens mit hellem Hauffen gegen das Dorff angezogen / selbiges geplündert / und in Brand gestecket.

12. Zu Wien haben unlangsten 4. Musicanten 42. Maß Wein / auf einen Abend ausgetrunken / und sind folgenden Tages alle eines schmertzlichen Todes gestorben / wie man für gewiß geschrieben.

Der so täglich herrlich lebet /

und prasst wie der reiche Mann /

in Gefahr der Seelen schwebet

und nicht anders sterben kan.

Welchen hie der Wein behaget /

dort der Durft beharlich plaget.

Quelle:
Georg Philipp Harsdörffer: Der Grosse Schau-Platz jämmerlicher Mord-Geschichte. Hamburg 1656, S. 699-703.
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