(XII.)

Die Schrammen.

[40] Die Rache ist die Freude der Traurigen / wann sie zu vollziehen und die Traurigkeit der Frölichen / wann sie vollzogen. »Jener hat sie gebildet durch einen Igel den die Natur mit vielen Spitzen gewaffnet / und eine Hand / die mit aller Gewalt darauf schlägt / zu bedeuten / daß der sich selbst rächen wil ihm den grösten Schaden thut.« Cardanus hält für eine grosse Thorheit / wann man einige Feindschafft lässet verspüren / in dem man keine Gelegenheit hat sich zu rächen. Man sol niemand / auch nicht den geringsten / beleidigen /dann es ist keiner der sich nicht solte rächen können /wie aus nach gehender Erzehlung ein denckwůrdiges Exempel zu vernehmen.

2. Flodoard ein von Geburt armer von Adel an den Grentzen von Lotringen wonhafft / verliebte sich in Cedrinam / eine Jungfrau geringern Stands / doch trefflicher Schonheit / welche sich erstlich wild gestellet / auf einraten aber ihrer Freunde / sich zu ehlichen Verlöbnis / mit besagtem vom Adel / erhandlen lassen.

3. Artaban ein Herr Gräflichen Standes / mit grosser Ehre und nicht wenigen Reichthum begabt / verliebt sich gleichfals in Cedrinam / und weil ihm dieser Jungfrauen Tugend / allen Zutritt seiner Liebe zu geniessen abschnitten / entschleusst er sich durch die Thür der Christlichen Kirchen zu jhr einzugehen / und sie zu heuraten.[40]

4. Cedrine war leicht / aus ihren Hertzen zu lassen den / der kaum in ihre Gedächtnis geschrieben / und welchen sie / auf einraten ihrer Befreunden / sonders eigene Liebsneigung / vertrauet werden solte. Wann der Tag anbricht gehet die Nacht zurücke / und die kleinen Sternen Liechtlein / müssen dem gůldenen Sonnen glantz weichen. Cedrine stoltziret in solchen Gedanken / und vermeinet / daß sie als eine gnädige Gräfin / ursach hab Flodoard / einen schlechten vom Adel ungnädig zu seyn / ihn auch nicht anzusehen schuldig / als mit Verachtung.

5. Flodoard verfüget sich zu Artaban / ihm mit Bescheidenheit zu Gemüt zu führen / wie grosses Unrecht er von ihm leide / mit Bitt ihm seine versprochne Hochzeiterin wiederum zu geben.

6. Artoban antwortet mit einem hohen Ton / und verachtete diesen vom Adel / mit fast höhnischen Worten. Flodoard versetzet / daß er ein Soldat / welcher die Ehre hette einen Degen zu tragen / der solche Wort nicht erdulden könte / dann ob er zwar wüste was Ehrerbietung er Artaban schuldig / were ihm doch auch nicht unbekant / was zu Rettung seiner Ehr ihm obliege / etc.

7. Diese / und dergleichen Reden nahme Artoban für eine Befedung an / und gabe ihm zu verstehen /daß er mit so schlechten Gesellen nicht zu fechten gesinnet: und wann er nicht wolte für eine Gnade achten / daß er ihn in Frieden von sich gehen lasse / so wolle er seinen Diener befehlen / daß sie ihn zu dem Fenster hinaus werffen solten.

8. Hierüber betrübte sich Flodoart / und gedenket diese hochmütige Wort / mit einer hohen Rache zu erwiedern. Wie aber? Artaban / war mit vielen Dienern ümgeben / daß ihm nicht beyzukommen / und nach vielen Vorschlägen entschleusst er sich / der stoltzen Cedrina einen Tůck zu beweisen: solches willens /kaufft er ein neues Schermesser / und füget sich zu jhr / unter den Schein Urlaub zu nehmen / welches Cedrine / als er sich anmelden liesse / gerne höret / massen sie[41] hierdurch von jhm loßgesprochen werden würde /und empfäht ihn deßwegen mit grosser Freundligkeit.

9. Flodoard fänget an seine Höfligkeit abzulegen /und wie höchlich er sich über ihren Ehrenstand erfreue / ob gleich selber zu seinem Nachtheil außschlüge. Cedrine liesse es an dergleichen Beantwortung nicht ermanglen / doch möchte sie ihren stoltz nicht bergen / und liesse sich bedunken / als ob sie mit dem Haubt an den Himmel stiesse / und auf so geringe Leute / wie Flodoard were / nicht mehr absehen könte. In dem sie nun fernern Gesprächs nicht abwarten wil / wischet Flodoard mit dem Scheermesser hervor / und schneidet ihr ein Schrammen über das gantze Angesicht / daß ihr das rechte Aug dardurch verletzet wurd / sie halb todt zur Erden fiele / er aber setzte sich auf das bestellte Postpferd und fliehet in Lothringen / weil er wüste / daß Artoban mit demselbigen Hertzog ůbel stünde / und er unter seinem Schirm eine Freystad finden würde / wie auch geschehen.

10. Artaban unterlässet zwar nicht was zu Cedrine Heilung dienstlich ist / sihet aber wol / daß die Ursach seiner Liebe / die zuvor hochgepriesne Schönheit / durchstrichen / durchschnitten / und eine solche Schrammen gewonnen / daß sie einaugig / und mehr abscheulich / als angenehm seyn würde / und ist hierdurch auch alle seine Neigung gegen jhr verwundet worden. Was thut er aber? Kurtz zu sagen: er bietet Flodoard an / mit ihm zu rauffen / welches er erstlich mit so grossen Worten von sich geworffen / und darzu reitzte ihn / die noch stoltze / aber nicht mehr schöne Cedrine.

11. Flodoard erscheint auf den verglichnen Platz /und hatte das Glück / oder vielmehr die Behändigkeit der Jugend / gegen einem Alten / daß er Artaban durch die Gurgel stösset / und hierdurch seine Hochmütige Worte / würcklich unterbricht / ist aber auch verwundet worden / daß er bald hernach das Leben eingebüsset.

12. Hier wil ich keine andre Lehre beyfügen / als die Wort deß Königlichen Propheten Davids im 37.[42] Psalm: GOtt stürtzet die Stoltzen und Rachgierigen /Er setzet sie auf das Schlipfrige / und stürtzet sie zu Boden / wie werden sie so plötzlich zu nichte? Sie gehen unter und nehmen ein Ende mit schrecken.


13. Weil die Rache Gott gebührt /

Der deß Menschen Hertz regiert /

Sollen wir in allen Sachen

Ihn vertrauen /

Seine Rechte lassen machen /

Umb zu schauen /

Unsren Lust zu rechter Zeit

An der Feinde Hertzenleid.

Quelle:
Georg Philipp Harsdörffer: Der Grosse Schau-Platz jämmerlicher Mord-Geschichte. Hamburg 1656, S. 40-43.
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