(XIII.)

Die rechtmässige Rache.

[43] Die Verzweifflung führet jhr ergebene oben aus und nirgend an / wie wir zu reden pflegen / daß sie mehr leisten / als in ihren Vermögen ist. Brasidas der treffliche Soldat / wolte eine Mauß tödten / welche in einem Feigenkorb verborgen lage / und wurde von ihr in den Finger gebissen / daß er zu seinen Spießgesellen gesagt: Schaut doch / kein Thierlein ist so gering /wann es ihm an das Leben gehet / so wehret es sich. Was sollen dann wir thun / die wir Helden sind? Man sagt aber daß der Weiber Zorn / wie alle andre ihre Neigungen viel hefftiger / als der Männer / welche sich eh besinnen / und dem Verstand raum geben /wie dessen ein Exempel folget.

2. An den Fluß Dordogena wohnte in einer Handelstatt eine von Angesicht sehr schöne / von vermögen aber sehr arme Jungfrau / mit jhrer Mutter / welche eine betagte Wittib. Ihre Gestalt hat ihr zwar unterschiedene Buler erworben / ihre Armut aber / hat selbe wiederum zu rucke gehen machen.

3. Hellonius ein reicher Edelmann in der[43] Nachbarschafft hielte allein stand / und alle ihre Befreunde rahten ihr nach der güldnen Regel / sie solte dieses Glůck nicht aus handen lassen.

4. Valeria leistete diesem Einrahten willige folge /und gabe dem Edelmann nicht geringe Anzeigen /ihrer Gegenliebe / und einen offnen Zutritt / mit vor wissen jhrer Mutter / welche sich über einen so stattlichen Tochterman höchlich erfreuete. Dieses aber war nichts anders / als den Brand mit öhl leschen / und begnügte sie Valeria mit einem Eheversprechen / in dem Winckel / welches sie hernach offentlich zu bereuē ursach hatte; in dem sie nemlich schwanger worden / und verlohren was sie die Zeit ihres Lebens nicht wiederumb finden können.

5. Hellonius wolte dieser Sachen Außbruch nicht erwarten / eines theils / weil er dieser Dirne satt / und anders theils / weil er seiner Freunde Zorn befürchtete: machte sich deßwegen aus dem Staub / und entkame in eine andre grosse Statt / da er ein Fremdling /und verborgen leben konte.

6. Valeria zeigt ihre Beschaffenheit ihrer Mutter an / welche es in grosser geheim zu halten befillt / und nach dem die Zeit herbey kommt / bringt sie einen Sohn zu der Welt / und verduscht alles so wol / daß es niemand / als ihre Magd inträgtig worden.

7. Hellonius konte so verborgen nicht leben / daß er sich aus mangel der mittel seinen Eltern nicht offenbahren müssen / und ůmb verlaub seiner Reise anzuhalten / welche er / wegen bewuster Liebsneigung leichtlich erlanget / und mit aller Nohtturfft versehen war. Dieser gestalt wird durch seine Verwandte ruchbar / der Ort seines Aufenthalts und Valeria schreibt ihm / daß er kommen solte und sie ehlichen / oder sie werde benöhtiget / seine That zu offenbaren.

8. Hellonius knöpfet einen Verzug nach dem andern / und speiset Valeriam mit leeren Worten / aus Furcht / daß er deßwegen mochte enterbet werden. Inzwischen hengt er sich an Phazelam eine Jungfrau die nicht höhern Stands war / als Valeria / und sich nach gethanen Winkel versprechen sich ehlich an[44] ihn ergeben / daß er also zwey Weiber / und doch keine offentlich hatte.

9. Die Zeit / welche alle solche verborgne Rähtsel auflöset / entdecket seiner Freundschafft und der Valeria / die Unbeständigkeit dieses Edelmanns / senden deßwegen einen absonderlich aus ihren Gesippten /eigentlichen Bericht zu erlangen. Als dieses geschehen / kommt Valeria mit ihrer Eheverlöbnis hervor /und bezeugt derselben Bekräfftigung durch den jungen Titium / der den Vater gantz ähnlich.

10. Phazela Anherr / war der älteste Schöpf in dem Ehegericht / und brachte die Sache dahin / daß das letztere Verlöbnis für bindig / das erste aber ungiltig erkant / und aufgehoben wurde. Hierüber hat sich nun Valeria rechtmässig betrübet / in dem sie umb ihre Ehre kommen / und durch Urtheil und unrechtes Recht in Schanden ihr Leben zubringen můste. Was kan ein ergrimmtes Weib nicht?

11. Sie nimmt ein kleines Pistol zu sich / und lädt es mit einem Schusser / oder runden Steinlein / verfügt sich zu ihren undanckbaren Hellonio: verweist ihm erstlich seine Ungebühr / und bittet / wann er sie nicht ehelichen könne / so wolle er doch seinen Sohn nothwendige Unterhaltung verschaffen. Hierauff antwortet der Edelman: Jungfrau Mutter / ihr könt so schöne Knaben in die Welt bringen / daß jhr billich ein Handwerck daraus machen solt / und euch darmit nehren. Auff diese Wort ziehet sie ihr Pistol herfür /und schiesset Hellonium durch und durch / wolte sich auch selbst erwürgen / wann nicht Leute darzu gekommen / welche den Schuß gehört / und sie in Verhafft gebracht.

12. Nach Erforschung der Sachen findet sich / daß das ungerechte Urtheil / und Hellonii Leichtfertigkeit; als rechtmässige Ursachen das betrübte Weib solcher Rache veranlasst / und wird zu recht erkannt / das übel geurtheilt / und das erste Eheversprechen statt haben / Hellonii Sohn seinen Anherrn heimgeschickt /und Valeria in ein Kloster /[45] die Zeit ihres Lebens versperret seyn solte / wie dann auch geschehen.

13. Die Lehre ist leichtlich zu fassen / daß junge Leute / mit den Winckel Ehen unverworren / und ihre Befreunde Vorwissen und Einwilligung zuvor erhalten sollen: massen fast kein Exempel daß solche Händel einen guten Außgang genommen / und können dergleichen Ehen Gott nicht wolgefällig seyn. Ich setze hierbey der Rabbinen Meinung / welche sagen /»daß Gott geschaffen ein Mann und Weib / und hieß es Mensch / daß also ein Mann allein kein Mensch /und ein Weib allein auch kein Mensch / sondern Mann und Weib sey ein Mensch / und zwey in einem Fleisch. Die Spanier sagen: den Tag / welchen du dich heurast / heilst du dich / oder tödtest dich / und die alten Teutschen nennen das Weiber nehmen / Unglückshosen anziehen.«

14. Folgverßlein.

Heurat jemand sonder Raht /

Kommt die Reue nach der That /

Ach sie ist dann viel zu spat.

Du trittst auf das Glückes Rad /

Welches manche Wendung hat /

Da sich mehrmals findet Schad.

Fährest du mit gutem Raht /

So folgt nicht bereute That /

Du lachst frölich frü und spat /

Und knarrt nicht dein Wagenrad:

Wann dein Hauß ein Unglück hat /

Ist deins Weibs der halbe Schad.

Quelle:
Georg Philipp Harsdörffer: Der Grosse Schau-Platz jämmerlicher Mord-Geschichte. Hamburg 1656, S. 43-46.
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