(CI.)

Der erbärmliche Todt deß H. von Montmorency.

[342] Der sinnreiche Saavedra mahlet eine zerbrochene Klocken / mit dieser Uberschrifft:

(ex pulsu noscitur)

aus dem Schlag erkannt.

Zuverstehend gebend / daß grosser Herren Fehler und Gebrecher so wenig können verborgen bleiben / als der Mißlaut einer zerbochnen Klocken / welche in der Höhe von jederman gehöret wird. Dahero auch die alten Teutschen von der Fürsten Lastern zu sagen pflegen: je grösser der Stand / je grösser die Schand /und der weise Mann sagt: Grosse Leut fehlen auch.

2. Dessen kan zu unsren Zeiten ein denkwürdiges Exempel seyn / der Hertzog von Montmorency / welcher von Königlichem Geblüt geboren / und in allen Ritterlichen Tugenden von Jugend auf geübet / aus Verleitung unruhiger Köpfe einen sehr schmählichen Tod / wie die Gefichte beglauben / verschuldet / und ob wir zwar sonsten von grossen Herren Meldung zu thun nicht gewillet sind / haben wir doch mit dieses Herrn Trauerfall / weil solcher von keinem noch der Zeit / in Teutscher Sprache beschrieben worden / und viel merkwürdige Umstände begreifft / den fünfften Theil dieses Schauplatzes eröffnen wollen.

3. Im Jahre 1632. den 21. Weinmonats wurde der Hertzog von Montmorency / mit einer[343] starcken Wacht / gefangen nach Tholouse gebracht. Bald hernach wurden 7. Zeugen abgehöret / drey Haubtleute / ein Leutenant / zween Feldweibel und ein Schreiber namen Guillomet / welcher den Ständen in Lanquedoc bedient gewest. Dem Hertzog wurde fürgelesen Königlicher Befehl / an das Parlement zu Thoulouse / in welchem desselben Rahtsherren befohlen worden /wegen besagten Hertzogen von Montmorency Kundschafft ein zu ziehen / und nach Befindung seines Verbrechens ein Urtheil zu schöpffen. Der Hertzog antwortete: daß er zwar nicht schuldig were / wegen seines hohen Standes für einigem Gericht / als für dem Parlament zu Paris / zu erscheinen / weil aber der König solches befohlen / und er wisse / daß die Herrn von Tholouse Liebhaber sind der Gerechtigkeit /wolle er sich ihrem Gerichtszwang nicht entziehen.

4. Als nun die Zeugen / in seiner Gegenwart / ihre Aussage nochmals widerholen musten / bestande er erstlich / daß er bey Castelnau d' Arry / die Auffrührer / wieder deß Königs Volk angeführet / und beglaubten die Zeugen / daß er damals für dem Rauchdampf deß Schiessens / und deß Bluts / mit welchem er besprützt / nicht wol erkäntlich gewesen etc. / Zum andern wolte er nicht gestehen / daß er der Laquedoter Rahtschlag / in welchem sie den Hertzog von Orleans / zu einem Schutzherren ihrer Freyheit aufgeworffen /unterschrieben hette; als ihm aber der Schreiber seine Hand und Petschafft fürgewiesen / hat er sich sehr über ihn ergrimmt / und gesagt / daß solches falsch /die Hand nachgemacht / und das Siegel nachgegraben / oder ihm entwendet worden.

5. Weil nun dieser Herr / wegen seiner übertrefflichen Gaben Tapferkeit und Höfligkeit von grossen und kleinen geliebt und geehrt war / hat es an Fürbitte bey dem König nicht ermangelt / aber alles vergebens. Er wurde für Gericht gestellet / und von dem Herrn /welchem deß Königs Insiegel anvertraut / nach gemeinen Fragstücken von seinem Herkommen / Alter und Stand / etc. befragt / ob er der Lanquedocker[344] Rahtschlag unterschrieben? darauf er mit ja geantwortet / und gesagt / daß er sich dessen seithero erinnert. Er wurde ferners gefragt: ob der Hertzog von Orleans ihn die Waffen zu ergreiffen befohlen? darauf er geantwortet / daß er besagtem Hertzog / als seinem gnädigen Herren dessen keine Schuld beymesse. Daß er aber auf den Grentzen mit fremden Feinden deß Königreichs einigen Anschlag solte gemacht / oder wieder die Kron sich empöret haben / ausser deme / daß er der Laquedocker Freyheiten verfechten wollen / hat nicht auf ihn können gebracht werden. Letzlich ist er auch gefraget worden: ob er nicht vermeine / daß er den Tod verdienet habe? darauf hat er geantwortet: Er habe den Tod durch seine Sünden verdienet / und wolle nicht darwieder sagen. Nach diesem ist er weiter in verhafft gebracht worden.

6. Die Richter und Beysitzer haben wegen dieses Hertzogen Freundligkeit / guten Verstand und Sitten /grosses Mitleiden gehabt / weil er aber sich an Königl. Majest. vergriffen gehabt / haben alle seine Tugenden das Schwert der Gerechtigkeit nicht können zurucke halten. Als nun das Urtheil seines Todes geschöpffet worden / hat der König das blaue Ordensband / der Ritterschafft vom H. Geist / und den Marchalstab von ihme lassen abfordern / und befohlen /daß er solte auf dem Rahthaus in verschlossner Thier / enthaubtet werden / und ihme frey stehen / seine Güter / welche dem König / wegen seines Verbrechens / heimgefallen / nach belieben zu verschaffen. Als ihm nun das Urtheil fürgelesen wurde / hat er auf den Knien liegend / das Crucifix mit strengen Augen angesehen und gesagt: Ihr lieben Herren / bittet Gott für mich / daß ich diesen Tod / welchen ihr mir angekündet / als ein guter Christ / überwinden möge.

7. Als er ferners seine stattliche Kleider angesehen / hat er begehrt solche aus zu ziehen / weil unser Erlöser / welcher gantz entblösset gestorben / keinen Gefallen an solcher Eitelkeit werde haben können. Er hat auch gefragt / nach deme er gebeichtet / und das H.[345] Abendmahl empfangen / wann er sterben müsste / als man ihm gesagt / um 5. Uhr / hat er geantwortet / ob solches nicht bevor / und ům die Stunde geschehen könte / in welcher Christus gestorben. Darauf man ihm geantwortet / daß solches in seinem Willen stünde: Also bald hat er ihme die Haare lassen abschneiden / sich außgezogen / und folgendes Abschiedbrieflein an seine Gemahlin zu Papier gesetzet:


Mein Hertz /


Ich nehme hiermit meinen letzten Abschied von Euch / und versichere / daß die Liebe / welche jederzeit unter uns gewesen ist auch im Tode beharre. Ich bitte euch / wegen der Ruhe meiner Seele / und wegen der Ruhe die ich bald in dem Himmelreich erlangen werde / das ihr euch nicht zu viel wegen meines Todes betrüben wollet. Ich habe von meinem süssen Heiland so viel Gnade empfangen / daß ihr Ursach habt / euch zu trösten. Gute Nacht mein Hertz.


E. Montmorency.

Im Tholouse / den

30. Weinm. 1632.


Er schrieb noch zween Briefe / an seine Fr. Schwester / und den andern an den Cardinal de la Valtte.

8. Die Königliche Wittib hatte etliche Tage zuvor an den König dieses Inhalts geschrieben: Wann E. Majest. meinem Vettern dem Hertzog von Montmorency nicht das Leben schencket / werde ich solches die Zeit meines Lebens nicht vergessen. Seine Frau Schwester hat der König nicht wollen anhören / als sie für ihren H. Bruder bitten wollen. Die Venetianer haben ümständig an den[346] König geschrieben / und gebetten ihnen diesen Hertzog zu ihrem Feldherren zu ůberlassen / aber alles vergeblich. Der Fürst von Conde hat an den Cardinal von Richelieu geschrieben: Erinnert euch / daß ich ein Fürst bin von Königlichem Geblüt / daß ich auch Kinder habe / und daß der Hertzog von Montmorency mein Schwager etc. Als auch der Cardinal verstanden / daß die Königin fůr ihn bitten wolle / deßwegen er ihr zugesprochen /daß sie es ja nicht thun solte / weil sie wisse / daß zwar der König ihre Bitt nicht versagen würde / darüber aber erkrancken oder gar sterben möchte / weil er sich allezeit übel befinde / wann er etwas wieder seinen Willen zu thun gezwungen werde.

9. Als nun die Zeit verhanden / und der Hertzog auf die aufgerichte Binnen tretten sollen / hat ihm sein Barbier dē Nachtrock weil er nur in den Schlafhosen war / ümgeben wollen / er hat aber solchen wieder fallen lassen / und gesagt: Nein / mein Freund / wir müssen gantz weiß für Gott erscheinen. Als er nun mit dem Jesuiten Arnaux auf die Binnen steigen sollen / hat er zuvor gefragt: Ob keine Gnade verhanden? Als ihm aber der Haubtmann der Wacht / mit nein /traurig geantwortet / und daß alle seine Freunde solche zu erlangen vergeblich bemühet gewesen / hat er alle anwesende gegrüsset und gebetten dem König nach seinem Tode zu sagen / daß er sein unterthäniger Knecht sterbe / mit grossem Hertzenleid / daß er ihn beleidiget / bitte auch deßwegen S.M. und alle Christen üm Verzeihung. Sein Barbierer wolte ihn binden / er sagte aber zu dem Henker / dieses ist dein Handwerck / binde du mich / und als der Hencker sagte /die Haare weren ihm nicht kurtz genug abgeschnitten / sagte er man solte dann mehr hinweg schneiden. Der Hencker wolte solches den Barbierer verrichten lassen / der Hertzog aber sagt / daß solches der Scharffrichter thun solte / weil er als ein grosser Sünder keine Schmach zu scheuen habe / und das Christus auch von den Henckersbuben were gebunden worden.[347]

10. Nach deme er nun die letzte Entbindung seiner Sünden / von dem Jesuiten Arnaux angehöret / das Crucifix geküsset / und Gott seine Seele befohlen /hat er den Hals / in welchem noch etliche Wunden unter das Fallbeil gestreckt / nochmals gebett / und dem Henker gesagt / er solte nun sein Ambt verrichten / welches er auch gethan / und ihm das Haubt in einem Fail abgeschlagen. Als solches geschehen / hat man die Thür eröffnet / und den Leichnam sehen lassen / da dann eine grosse Menge Volks hinein gedrungen / sein Blut aufgesammlet / und ihn mit vielen Thränen beweinet.

11. Also hat Heinrich Hertzog von Montmorency sein Leben in dem 38. Jahr seines Alters geendet: Er ist gewesen ein Pair und Mareschall / wie auch Admiral oder Seeherr in Frankreich / Urenkel vier Connestabel und sechs Mareschallen / der vornemste Baron in Frankreich / Schwager deß vornemsten Fürsten von Königl. Geblütes / Vetter zweyer andern Fürsten. Nach dem er zwo Schlachten eine zu Land wieder die Hugenotten / und die andere zu Wasser wieder die Spanier erhalten / und Casal entsetzet. Seines gleichē hat Frankreich an Geschlecht / Reichthum / Schönheit deß Verstandes und deß Leibs nicht gehabt. Seine Holdseligkeit hat ihn bey jederman beliebt gemacht /daß er / ausser diesem schmählichen Tod / für recht glückselig zu schätzen. Sein Haubt ist wieder auf den Leichnam genehet / balsamiret / und in einem Sarch von Bley begraben worden. Welche seinen Tod betrauren / können sein Verbrechen nicht loben.

12. Die hohen Häubter sind nicht ausser der Gefahr und sihet man in dem Angesicht nicht / mit wie viel Sorgen das Hertz gequälet ist / wir setzen über dieses Hertzogen Tod folgende Verßlein.


Der Krieges Gott ist todt /

der offt die Todes Noht

mit grossem Muht getrutzet:[348]

die Lorbeer ohne Zahl /

und manches Siegesmahl /

hat vor dem Donnersstral

deß Tods / ihn nicht geschützet.

Es trauret jedermann

der kläglich trauren kan:

der Feind hat ihn genommen

und ruckwarts hingeraubt /

das kluge Fürsten Haubt.

Er dorfft nicht (wie man glaubt)

ihm fůr die Augen kommen.

Quelle:
Georg Philipp Harsdörffer: Der Grosse Schau-Platz jämmerlicher Mord-Geschichte. Hamburg 1656, S. 342-349.
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