(XLIV.)

Die Amazonin.

[147] Zu Zeiten als der Hertzog von Parma Alexander Farnesius die Niederlande regieret / hat der Spanische Marggraff Varambon / Ritter deß güldnen Flusses /Bilemberg / eine kleine / aber feste Statt / nechst Reinberg / belägert / und nach langem Gefecht / und grossem Wiederstand mit stürmender Hand erobert. Die Soldaten unterliessen keinen Hochmuth / welchen sie / als Sieger / erdencken / und ungestrafft verüben kunten.

2. Unter andern wurde die Todten zu begraben gebetten / damit der üble Gestanck nicht die Lufft vergifften / und dardurch eine Pestin entstehen möchte /und fande man zween Soldaten einander ümarmend auff der nieder geschossnen Mauren liegen: Als sie von einander gerissen und außgezogen[147] worden / findet sich / daß der ein eine schöne Weibsperson / und als dem Marggraffen diese Geschichte zu Ohren kommen / hat er wissen wollen / was sich mit diesem Marmelstein-Bilde begeben.

3. Ein halb todter Soldat erbote sich die gantze Geschichte / welche ihm nur allein bekannt / zu erzehlen / und alsdann willig zu sterben / weil er spürte / daß seine Wunden tödtlich. Der Marggraff verfügte sich /mit vielen andern hohen Befehlhabern zu ihn / und hörte von den sterbenden Soldaten nach abgelegter kurtzer Höfligkeit / in Teutscher Sprache / welche sie alle wol verstunden / nachgehende Erzehlung.

4. Ich dancke Gott / sagte er / daß ich noch so viel Kräfften / daß ich meiner getreuen Liebe / und Freundschafft dieses Ehren-Gedächtnis / in beywesen so vieler tapfren Helden stifften kan. Man nennet mich Arelan / ich bin von Hessen bürtig / und ist meine Geburtstat gewesen Melsingen / unfern von Cassel. Ich habe von Kindesbeinen an ein treuverknüpffte Freundschafft gepflogen mit Inemar / einem Edelmann von Rottenburg / welcher bey meinem Lands-Fürsten / als ein Edelknab auferzogen worden. Man hat uns beede genannt die unzertrennlichen /weil keiner ohn den andern leben mögen.

5. Zu Melsingen verliebte sich mein getreuer Hertzens Freund in Jolandin eine Jungfrau / welche mir mit weiter Freundschafft zu gethan / da ich ihm dann gute Dienste zu leisten / eusersten vermögens bemühet gewesen / dann ob er wol bey der Jungfrau alle Gegenlieb verspüret / so ware sie doch etlicher massen von Gratiana ihrer Stiffmutter Hugolin Räuls ihres Mannes Sohn von seiner ersten Frauen versprochen / für welchen Jolandin ein stetiges Abscheu haben muste / dann er ein unmensch / sein Ruck und Brust waren zween Berge in deren Thal sein Magen vertieffet / und mit seinem Haubt bedecket war. Er war eine kleine Person / in dem Angesicht hatte er die Farb eines krancken Spaniers / und wendeten alle schwangere Weibspersonen die Augen von diesem Krüppel / welcher ihm doch keine[148] kleine Vollkommenheit eingebildet mit seinem hohen Rücken.

6. Als nun nach langem Verzug die Hochzeit angestellet wird / findet Jolandin keine Thür diesem abentheurlichen Hochzeiter zu entgehen / als die Flucht /und damit solche so viel sicherer zu wercke gerichtet werden möchte / hat sie meine Kleider angezogen /und ist mit mir und Incmarin gefolget / welcher / auf anhalten Räuls / von den Fürsten Melsingen zu meiden / gebotten worden.

7. Hier muß ich nicht vergessen zu melden / daß ich diese Jolandin auch brünstiglich geliebet / meinen Freund aber nicht zu beleidigen / hab ich sein vergnügen / dem meinen / weit vorgezogen / und hierinnen vielmehr ihm / als mir selbsten behülfflich seyn wollen / massen ich sie ihm besagter weise / in Manneskleidern zugeführet / und bin ihrer ehlichen Verlöbnis Zeuge gewesen. Damit wir nun nicht außgekundschafftet und wegen dieser That von unserm Lands Fürsten durch seine Sachwalter alhier in Niederland angehalten würden / haben wir für sicher befunden /Jolandin in dieser Kleidung verbleiben zu lassen / und weil wir keine Narungs mittel hatten / haben wir Dienste genommen / und Jolandin in allen Kriegsübungen unterrichtet / damit sie auf keine weise unter andern Soldaten erkäntlich seyn möchte: gestalt dann diese Amazonin mehr Mannheit erwiesen / als von ihrem Geschlecht glaublich ist.

8. Jüngsthin / als wir in dieser Statt Bilenberg angegriffen wurden / ist Incmar / auf der niedergeworffnen Mauren durch einen Mußqueten Schuß gefället worden / welches todten Leichnam Jolandin aus brünstiger Liebe / umarmet / und darüber von den anleuffenden Stürmern zertretten / und getödet worden /deßwegen ich dann nach besagten meines Freundes Tod / zu leben nicht mehr erwünscht / sondern allein diese Gnade bitte / daß ich zu ihnen beeden begraben werden möge.

9. Mit dergleichen Worten endete Arelan seine Rede / und hat ihn der Marggraff seiner Bitte[149] gewehrt / ihn samt Incmar und der tapfern Jolandin ehrlichen zur Erden bestatten lassen / und ihnen auch ein Grabmahl mit nachgesetzter Überschrifft aufrichten lassen.


Drey / so stets treu in ihrem Leben

Der Lieb und Freundschafft sich ergeben

Liegen hier

Der Tod / der alles pflegt zu scheiden

Muß sie hier ungescheiden leiden.

Für und für.


10. Die Lehre ist / daß die Eltern ihre Kinder nicht zuverhasster Personen Heurat / wann sich die Gemüter nicht gleichen wollen / nöhtigen sollen / dann wann die Liebe in freyen Willen bestehet / sol solcher nicht wieder alle Vernunfft gezwungen werden. Im fall aber dergleichen geschiehet / sihet man einen bösen Außgang / und viel Hertzenleid daraus erfolgen. Es ist auch bey diesem Arelan ein Exempel getreuer Freundschafft zu erlernen / wiewol er hierinnen gefehlt / daß er seinen Freund vielmehr von seiner Liebe abmahnen / als darzu beförderlich seyn sollen.


11. Der Tod / der starcke Rieß hat alles überwunden /

Doch führt die Lieb allein den Goliad gebunden /

Daß mehrmals auf dem Grab wann dieser Leib Zerstaubt

Die Lieb / aus Todes Hand / ihr Angedencken raubt.

Quelle:
Georg Philipp Harsdörffer: Der Grosse Schau-Platz jämmerlicher Mord-Geschichte. Hamburg 1656, S. 147-150.
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