Hoch- und Wol-Geborner Gnädiger Herr /Hochwehrter Gesellschafter.

Die Römer haben zu ihren offentlichen Schauspielen besonder grosse Häuser / mit vielen erhobenen Staffeln erbauet / in welchen viel tausend Personen zugleich auf den mitlern Sandplatz sehen können. Diese haben erstlich die Gestalt einer halben Rundung gehabt / Circi genennt / nachmals aber wie eine Ablange gantze Rundung erbauet / und Amphitheatra geheissen worden.

In diesen Spielhäusern habē sie nicht allein ihre vielerley Arten Fechter / welche meistentheils leibeigne Knechte / und zu solchem Lust erkaufft gewesen; sondern auch Weiber / Zwerge / seltzame Wunderthiere / und was nur dem Volke angenehm zu sehen /kostbarlich vor gewiesen / wie hiervon zu lesen J. Lipsius in Saturnalibus, und in seinem Buch De Amphitheatris.

In diesem gegenwertigen Schau-Platz finden sich fast dergleichen jämmerliche Lustspiele und Mordfechter (Secutores) in Beschreibung vieler Rauffhändel: Etliche derselben sechten mit verblenden Augen (Audabatæ) wie die von bösen Liebsbegierden erblindete. Etliche streiten mit Garnen / (retiatii) welchen der Ehr- und Geltbegierd zu einem Netze wor den. Etliche streiten mit Stücken vnd Würffseilen (laquearii) wie die listigen Frevler vnd Leutbetrüger: Etliche fechten auff Wägen vnd Rossen (Essedarii) wie die Tyranen und Gewaltigen.

Der Meister dieser Mordspiele (Editor) ist der Mörder vnd Lügner von Anfang / der leidige Satan /welcher die Jugend mit Wollüsten / das männliche Alter mit Ehrgeitz / die bejahrten mit der leidigen Geltgeitz auf den Schauplatz dieser Welt führet / vnd verführet.

Hierzu bedienet er sich so wol Manns- als Weibspersonen / grosser vnd kleiner / reicher und armer mit wunderseltnen Fügnissen / vnd gebrauchet sich darzu der Sünden-Knechte / die er in seinen Fesseln vielmals wider die Frommen die stetig im Streit zu leben pflegen / anreitzet.

Es werden aber solche hoch ümmauerte viererley Arten der Schauplätze Spielhäuser genennet / weil man erstlich darinnen allerhand Ritterspiele zu Roß vnd Fuß / wie bey uns auf den Fechschulen / und Vorzeiten bey den Olympischen Spiele vergeübet / darvon der Apostel sagt; So jemand kämpfet / wird er doch nicht gekrönt / er kämpfe dann recht / und an einem andern Ort sagt Gott: wer überwindet (die Welt und den Satan mit seinen Rotten) dem wil ich die Kron des Lebens geben. Welches beedes abgesehen von den Fechten / deren Obsieg durch einen Krantz von Lorbeern geehret worden. Besihe hiervon die Vorrede in dem Gewissens-Recht Amesii.

Nach und nach sind die Gemüter / sonderlich aber der Römer / gegen einander so ergrimmet / daß erstbesagter Schertz Ernst worden. Gewisse Hauffen Fechter / haben Schutzherren gefunden / die sie vnterhalten / und mit Peitschen und brennenden Fackeln zu den Streit antreiben lassen / den Zusehern ein Lustspiel zu machen: Anderwarts sind auch solche Blutfechter bey den Todtengräbern ümb Leib und Leben zu fechten gezwungen worden / weil sie die Seelen der Verstorbnen bey Plutone mit Menschenblut außzusöhnen vermeint.

Diesem nach gegenwertiges Werklein mit Fug der grosse Schauplatz oder Spielhauß genennet worden /weil in demselben viel jämmerliche Mordgeschichte /so sich theils zu unsrer Väter / theils zu unsren Zeiten begeben / vorgestellet / und mit lehrreichen Sprüchen und Anmerkung außgeführet werden.

Solches Spielhauß unglückseliger Geschichte / hat der Spielende / theils aus dem Frantzösischen / zu übertragen unternommen / theils aus eigner Erfahrung beygefügt / welche so hohe Beliebung wider verhoffen gefunden / daß sie nun zum drittenmahl der Presse untergeben worden: darauß ungezweiffelt zu schlüssen /daß solche vormals absonderliche / und nun zusammen gedruckte Büchlein / von vielen nicht ohne nutzliche Gefälligkeit durchlesen worden.

Demnach aber der Unglückselige unter den hochlöblichen Fruchtbringenden die Zahl deß fünfhundertsten erfüllet / und das Gewächs Graßkohl mit dem Beywort von Jugentauf angenommen / hat er so bald den Spielenden seiner hohen Kundschafft durch beliebten Briefwechsel gewürdiget / vnd mit einem Sinnreichen Gedicht / zu den viij. Theil seiner Gesprächspiele gnädig beschencket / eben zu der Zeit /als er Hand angeleget diese Unglückselige Trauergeschichte zu Papier zu setzen: Daher er dann / aus obliegender Dankbarkeit bewogen worden / selbe aus dienstl. Vertrauen mit des Unglückseligen Namen zu beglückseligen / und dieses geringe Werklein als ein Pfand jüngstgeschlossener Freundschaft / welche jederzeit die süsse Frucht unsrer Gesellschaft / wiewol auf gantz ungleichen Stämmern erzielet gewesen /wolmeinend einzuhändigen. E.G. geruhen solches gnädig anzunehmen / und sich zu versichern / daß nechst Empfehlung des Höchsten Väterlicher Beschirmung / jederzeit seyn und verbleiben wird.


E.G.

Deß Unglückseligen

Dienstbegieriger Knecht

G.P.H.

der Spielende.


Ad Insignia

Illustrissimi Domini, Domini

JOANNIS WILHELMI

STVBENBERG, etc.

inter Illustriss. Carpophoros.

INFELICIS nomen

sibi eligentis

Emblemate expressa.


casibus

Zuschrifft

erigitur


In clypeo proavum quæ denotat anchora firma,

STUBENBERGI ADÆ gloria priscadomus

Cum decertantes, adverso turbine, venti

bella movent nautis, & vada falsa fremunt,

anchora spumantis sistit discriminaponti,

nexa fide rectâ, casibus erigitur.

Nunquam fixa magis, quàm cum gravi impetus illam

mergit, arenosum mordet adunca solum.

Spes demissa Fide (notat anchora utrumque sub undis)

perstat in adversis certa, tenaxque loco.

Fluctuat INFELIX, teneris jactatus ab annis;

Exilio patriæ perdidit omne bonum:

Ast animum Spes atque Fides obfirmat amore

Cœli, dum terræ casibus erigitur.


Observantiæ ergò facieb.

Autor.


über den Namen

des Unglückseligen.

Klingreimen.


Unglůck nehrt die Tugend Frucht /

Unglůck wehrt der Laster sucht.

Die in grossem Glůcke schweben /

mancher Laster Seuch ergeben /

sind entnommen aller Zucht /

und vielmals von Gott verflucht.

Gott beschneitet seine Reben /

und lässt uns in Freuden leben /

Wann er uns zu rechter Zeit

rettet aus der Dienstbarkeit /

Dem Ægypten dieser Welt.

Die / als Knechte seyn gefangen

glücket endlich ihr verlangen /

in dem freyen Himmelsfeld.


Erklärung des Titels

Die Tragædia / oder das Traurgeschicht redet:

Der bejahrten grauen Zeit

flügelschnelle Flüchtigkeit

Halt ich auf

in dem Lauf.

Auf des Ungelücks Geschicke /

schau ich wiederumb zu rücke /

mache sehen

was geschehen.

Mein bestraltes Angesicht

Zeigt der Warheit helles Liecht.

Schand und Ehre

weist die Lehre /

als in einem zarten Spiegel.

Es gräbt meines Dolchens Siegel:

Wie der Kiel

schreibet viel /

und erhärtet mit der Spitz

die vertieften Marmolritz.

Quelle:
Georg Philipp Harsdörffer: Der Grosse Schau-Platz jämmerlicher Mord-Geschichte. Hamburg 1656.
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