III

[133] Den Damen schien es im Hause des gastfreien Pastors ganz gut zu gefallen, sie blieben ziemlich acht Tage da. –

Am Tage vor ihrer Abreise traf ich sie zufällig auf einem Spaziergange; er mit der alten Dame voran, seine Frau und das junge Mädchen vergnügt hinterher. Ich grüßte achtungsvoll, ging aber schnell vorüber, denn ich verspürte einen plötzlichen, unmotivierten Drang, zu lachen. –

Solange die Fremden bei ihm wohnten, ließ sich der Pastor am Stammtisch nicht sehen. An dem Abend, wo sie abgereist waren, kam er.

Er war ganz voll von ihnen und erzählte eifrig drauf los. Die alte Dame – übrigens war sie noch gar nicht so alt, höchstens fünfzig – war die Witwe eines Oberförsters, die nach dem Tode ihres Mannes nach Magdeburg gezogen war und dort ein Mädchenpensionat eröffnet hatte, das nun schon zwanzig Jahre bestand und sehr gut ging. Das junge Mädchen, eine Gutsbesitzerstochter aus der Umgegend von Magdeburg, war bei ihr in Pension. Ach, und beides wären so reizend liebenswürdige Damen, wirklich, sie hätten eine entzückende Woche verlebt. Er war ganz begeistert.

– Sehen Sie, meine Herren – rief er aus – ich bin ja gewiß ein guter Stolberger und liebe mein schönes Vaterland wie einer, aber ich muß doch sagen: hin und wieder ist so ein Hauch[134] von außen riesig erfrischend. Sie können sich zum Beispiel gar nicht vorstellen, wie bildend der Umgang mit den Damen speziell auf meine liebe Frau gewirkt hat, die ja noch nie aus Stolberg herausgekommen ist.

– Und außerdem hat die Sache für mich noch einen sehr praktischen Erfolg gehabt. Nämlich beim Abschied hat uns die Frau Oberförster eingeladen, falls wir jemals nach Magdeburg kämen, doch ja bei ihnen abzusteigen; sie bewohnten ein ganzes Haus für sich, drei Etagen.. und wären immer auf Besuch eingerichtet. Wie sie das sagte, hielt ich es bloß für eine liebenswürdige Höflichkeit, denn wie sollten wir jemals aus unserm schönen Stolberg herauskommen? Nachher ist mir erst eingefallen, daß ja im nächsten Monat die Provinzialversammlung des Vereins für Innere Mission in Magdeburg tagt. Ich hatte zwar eigentlich nicht die Absicht, hinzufahren, denn so was kostet immer schrecklich viel Geld – aber unter diesen Umständen –: selbstverständlich fahr ich hin! Nicht wahr, meine Herren, das würden Sie doch auch tun?

Wir drei hatten uns längst angesehen und verständigt.

– Aber sicher! – sagte der Oberstabsarzt.

– Ich führe sofort! – behauptete der Amtsanwalt.

– Und Sie, Herr Referendar?

– Ich? – Wenn ich nicht preußischer Beamter wäre, würd ich mich überhaupt in der[135] Pension fest anstellen lassen. Als Syndikus oder so.

Pastor Viemeyer lachte:

– Ach, Sie Schäker – nicht wahr? Die Kleine war nett? Wissen Sie, wie sie in der Pension genannt wird? – Lilith! –

– Na also.

Wir lachten alle, und der Abend schloß wiederum in Fröhlichkeit.

Quelle:
Otto Erich Hartleben: Ausgewählte Werke in drei Bänden. Berlin 1913, S. 133-136.
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