Zweite Scene

[10] Währenddessen ist Bauer Ephraim, ein großer, etwas vorgebeugter, bartloser alter Mann, geschäftig vom Hofe hergekommen. Hinter ihm her der Viehhändler Blumig, ein alter, zäher, schlauer Handelsmann im offenen Düffelkittel, den Hut im Packen, die Peitsche in der Linken.


TINE ab in den Stall.

BAUER sich an der Stübelthür zurückwendend. Kanst m'r immer nachgihn, wie a Hund. 's werd nee andersch! Eenundzwanzig Thaler fir die vier elenda[10] Gerippe vo' Schweindlan – und au nee enn' Pfenn'g meh' besihst De.

DIE BÄUERIN ist nun in der Stubenmitte und sieht den Schürzenzipfel in der Hand, zu.

VIEHHÄNDLER sich auf dem Kopf kratzend. Nee! nee, nee! – I, keene Ahnung! – 's muß ju nee sein. Nee, nee! gar ock bluß a Schada ha'n! Warum ock? Da nahm ich mir meine schin'n Schweindla geruhig wieder mite. Er wendet sich unschlüssig wieder zur Thür. 's muß ju nee grade bei Ephraim sein!

BAUER der nun die Klinke Stübelthür ergriffen hat. Nee, nee! 's muß au noch nee sein! Immer nihm se mite – alle mitsammen! Schweindla hot's genung ei d'r Welt! Ab ins Stübel.

VIEHHÄNDLER kurz auflachend, während er sich den Hut wieder aufsetzt. Nu ju ju, Beate. Schweindla hot's wull ernt genung ei d'r Welt. Ock nee immer grade sulche wuschberne Dingerla.

BÄUERIN die, sobald der Bauer verschwunden ist, eilig und verstohlen Geld aus der Tasche hervorgeholt hat, leise. Blumig! Winkend. Blumig! Sie drückt ihm verstohlen einen Thaler in die Hand. A Thaler zu! Mir gefallen die Schweindla grade. Aber's Maul hal'n! Hierscht De!

VIEHHÄNDLER rückt die Nase verschmitzt lachend in die Höh. A! – wuhar ock! – Mit einer Geste abwehrend.

BÄUERIN laut. Du gleebst's asu gar nee, wie's mit dam Mane immer schwerer und schwerer werd zu hantiern! –

VIEHHÄNDLER laut lachend. 's is wie mit a Hunden! Die war'n zu guderletzte au immer bieser![11]

BAUER vom Stübel zurückkehrend, wie nebensächlich zu Blumig. Was stihst De noch, Blumig? – Mach, mach, Blumig; mach, daß De naus kimmst! Ich ha' das Getimmel ei menn' Hofe sat! Immer naus mit Denner ganza Schweinerei!

VIEHHÄNDLER, den Bauer am Ärmel haltend. Ephraim! – Nihm ock amol a eenzigstes Bissel Verstand a'!

BAUER höhnisch. Gleeb ock nee asu was! Wenn ma' Euch beschissna Ludern nee glei a Hals bis ei de Nase vull schitt', da heeßt's glei immer, nahmt ock Verstand a'! – Ich wihl gar kenn' sulchen Verstand ha'n. Er sieht sich plötzlich komisch wie nach etwas um. Willst De nu, oder's kan sein, ich nahm de Peitsche und ja'te Dich mitsamt da ganza schiena Schweindlan ubadrein zum Luche naus. Er ist nun auf einmal über legend zur Thür gegangen.

BÄUERIN. Ju ju ju! Asu is eemol dar Man, Blumig.

BREITE kommt, ein Schäffchen tragend, herein.

BAUER der sich unterdessen am Wandschränkchen zu thun gemacht hat, geschäftsmäßig zu Breite. Is Schindler Joseph rei'?

BREITE gleichmütig. Freilich, ebens sein se rei', Vater. Se stihn schun hinger d'r Scheune.

BAUER. 's is aber au Zeit.

BREITE. Nee, Zeit, Vater, eb die die viela Säcke ei'binda und uflada. Da vergiht wull ernt Zeit. Missig kinn' se da nee sehr gihn.

VIEHHÄNDLER. Nu griß Gott, Breitla! Nee sa' m'r ock, Du bist ju gar a charmant Madel wor'n.[12] – Aber das sitt Dir weeß Gott kenner a, Gotlieb, daß uf Denn' hart'n Acker an sulche schiene Blume wächst. Nu hust De d'n au an Man, Madel?

BÄUERIN. Oh mein Gott, mein Gott! Se mecht an verninftiga ha'n!

VIEHHÄNDLER. Na, kenn' Kummer sitt'r noch kenner a' derentwegen. Du hust ju rute Bäckla und machst mir wenigstens kee biese Gesichte wie d'r Ahle.

BREITE. Ich ha' ju au' kenn' Grund. Du lachst doch au lieber. Sie hebt ein Schaff auf um zu gehen. Außerdem ha'n m'r heute asu zu thun, daß m'r zu Schmerza keene Zeit ha'n, au wenn m'r welche hätta.

VIEHHÄNDLER an sie herantretend. Das is ju a Madel – nu do – a verpuchtes Dingla – Er will ihr unters Kinn greifen. was?

BREITE grob und höhnisch lachend. Kumm m'r ock nahnde, ahler Schweinehändler! Ich sa' D'rsch!

BÄUERIN unwillig. Sei nee glei asu grob, Madel! das gehiert sich nee! Breite ab. Aber kanst's gleeba, Blumig: Das Madel kan macha, was se wihl, 's is gut, und die kan breeta, was se wihl,'s is gut –

BAUER kurz. Nu brengt mich nee erscht ei de Wut! Mei Madel giht Dich gar nischt a, Blumig! Die giht iberhaupt niemanda nischte a! Hust mich verstanda, Weib! Kimm'r Du Dich ock lieber Gesteigert aufgebracht. a wing im's Muttersihnla! Suste könnt ich wieder amol a'fanga zu korieren! Das mecht D'r nee gefall'n! – Ich hätt' grade Laune, amol auszupacka mit menn' sieba Sacha –. Das mecht D'r aber nee gefall'n! –[13]

VIEHHÄNDLER ihm mit einer Armgeste einige Male vergeblich in die Rede fallend. Nee Gotlieb! – Gotlieb! – hier mich amol a! – hier mich amol a! –

BAUER. Nu freilich hier ich Dich a! An Weile hier ich m'r Dich au' noch a! Aber lange nimmeh'!

VIEHHÄNDLER geduldig verschlagen. Mei letztes Wort, Ephraim! An eenzigen Thaler lä'st De noch zu!

BAUER emphatisch. Au nee an halben Pfenn'g! Viehhändler. Nu sa' amol salber, Beate, sein's nee schiene Schweindla, was?

BAUER. Nu ha' ich's sat! Er ruft hinaus. Joseph! Joseph! – Dar is ju wieder noch derhinga – Ernst! – Junge! – Ernst!

ERNST'S STIMME aus dem Stalle. Was? – Was is? – Darnach erscheint er langsam in der Stallthür und kommt bis an die Schwelle.

BAUER als er seiner ansichtig wird. Wu kimmst Du har? was? – Aus'm Viehstalle? – Warum fuhrst Du nee längst de Blässe noch a wing hie und har? – Du mußt D'r wull erscht noch immer an Arbeit hundertmol besahn? – Was? – Ich war D'r Beene macha! Ich dächte, Du hättst iberhaupt noch was gut vo' mir. Nihm Dich ock zusamma –! Das kimmt noch! – Das könnt immer noch kumma!

ERNST mit gleichgültigem Ausdruck und ohne ein Wort zu wagen, will abgehen.

BAUER energisch. Hie blei'st De noch! – und hierscht mich erscht a'! – Zuerscht ja'st De mir da Schweinekram aus menn' Hofe naus. Hust mich verstanden?[14] Aber glei alles – alles uf eemol! A Schweinehändler mite. Und a wing attent! Ich wihl glei was sahn!

BÄUERIN. Blumig! Nu besinn Dich aber, ich dächt's wull au!

ERNST bleibt unschlüssig an der Thür stehen.

VIEHHÄNDLER den Bauer haltend. Gotlieb! – Lacht. Du bist a närr'scher Kerl! Da muß ich halt amol elfe grade sein lussen. Während die Beiden zum Viehstall gehn. 's is mei' Schade! Jes! da nihm's ock! 's is mei Schade! Aber mei' Vater sa'te au immer – Sie verschwinden von der Bäuerin gefolgt im Stalle.


Quelle:
Carl Hauptmann: Ephraims Breite. Berlin 1900, S. 10-15.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Jean Paul

Vorschule der Ästhetik

Vorschule der Ästhetik

Jean Pauls - in der ihm eigenen Metaphorik verfasste - Poetologie widmet sich unter anderem seinen zwei Kernthemen, dem literarischen Humor und der Romantheorie. Der Autor betont den propädeutischen Charakter seines Textes, in dem er schreibt: »Wollte ich denn in der Vorschule etwas anderes sein als ein ästhetischer Vorschulmeister, welcher die Kunstjünger leidlich einübt und schulet für die eigentlichen Geschmacklehrer selber?«

418 Seiten, 19.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Biedermeier II. Sieben Erzählungen

Geschichten aus dem Biedermeier II. Sieben Erzählungen

Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Michael Holzinger hat für den zweiten Band sieben weitere Meistererzählungen ausgewählt.

432 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon