Sechste Scene.

[21] In diesem Augenblick kommt der Bauer geschäftig vom Viehstall her und geht zum Wandschränkchen. Dahinter kommen behaglich die Bäuerin und der Viehhändler.


BÄUERIN beim Eintreten. Immer kumm, kumm, Blumig! Bis d'r Man 's Geld sicht, kanst De gut noch an Augablick sitza. Sie wischt einen Stuhl mit der Schürze ab.

VIEHHÄNDLER lustig. Nee nee, Beate, ich war mich nee erscht gruß satza.

BREITE hat sich zum Gehen bereit gemacht.

BAUER der im Wandschränkchen kramt, zur Breite. Kimm'r Dich im de Schweindla, Madel, daß se bahle was zu frassa kriega.

BREITE ab.

VIEHHÄNDLER mit einem Seitenblick auf den Bauer. Ich war mich nee erscht gruß satza, Beate, d'r Man is m'r zu biese Wobei er die Bäuerin pfiffig anlacht.

BAUER sich mit voller Hand das Stoppelkinn kratzend und den Viehhändler mit blinzelnder Grimasse prüfend. Ju ju, gih Du, gih! Du kanst ju ei d'r Bethausschenke glei wieder vergeuda, im was De de Leute asu a Tag iber beschissa hust.[21]

BÄUERIN. Nee Man!

BLUMIG lacht die Bäuerin an.

BAUER noch immer mit demselben Ausdruck. Ich wiß iberhaupt gar nee, Blumig, ich simm'lier und simm'lier immerfurt. Dir hot wull hie wieder amol d'r Teifel gar a grußes Ei gelä't, daß De au ock immerfurt ei Dich nei zu lacha und zu grinsa hust.

VIEHHÄNDLER stutzig und ablenkend. Ich? – Nee, wißt De, Beate, ich muß schun sahn, daß ich lieber bahle ei a Kretscham kumme und menn' Schwarm ei Ruhe brenge. – 's is mit dam klenn' Zeuge –

BÄUERIN. Ich gleeb's, ich gleeb's!

VIEHHÄNDLER mit gemachter Entrüstung. Ich lache? Nee, was werscht ock Du D'r noch alles ei'bilda, Gotlieb! Da der Bauer sich im Rechnen und Zählen nicht stören läßt, spricht der Viehhändler weiter. Was sichst De denn, Gotlieb! 's wär ju iberhaupt gar ni asu ängstlich mit'n Zahlen.

BÄUERIN. Du wißt ju, wie genau der Man is, Blumig. Was nimmeh' seine is, das hot'r au nimmeh' gerne lange ei a Hända.

VIEHHÄNDLER. Ju ju ju ju! Das kennt ma' vo'n! Das ehrt ma'. Zum Bauern gewandt. 's is eemol nee andersch uf d'r Welt, Gotlieb. 's muß halt alles immer a wing furtketteln.

BAUER höhnisch, indem er das Schränkchen schließt und an den Tisch kommt. Ju ju! – Das kennt ma' – vo' Dir au. – Wie Adam und Eva noch alleene warn, da war inse Arde a Paradies. Nu sein'r asu viele 'wor'n. Nu sitza se alle immer meh' uf enn' Haufa und ha'n ock blußig noch zu simm'lieren, wie se sull'n[22] am Mitmensche de Thaler aus a Zahn' reißa. Zeit, a was zu gleeba, ha'n se nee. Se gleeba a kenn' Gott! – Se gleeba a kenn' Teifel. A kene guda Werke erscht recht nee. Nihm Du jitzunder ock Dei' Geld – und dann furt – Er beginnt harte Thaler aufzuzählen.

VIEHHÄNDLER. Was bist D'n asu biese, Gotlieb? Ich gleebe, bildst D'r gar noch ei, daß ich's Geschäft mache.

BAUER mit Zählen innehaltend und den Viehhändler wieder mit derselben Grimasse betrachtend. Nee, nee, das gleeb ich, das gleeb ich. Du machst kee's! – Du kaust Dich ju au derentwegen gar ni meh' hal'n vur lacha. Er zählt weiter auf.

BÄUERIN. Nee Man, luß a ock lacha.

VIEHHÄNDLER. Lach ich denn iber Dich?

BAUER wieder mit Zählen inne haltend. Das mecht ich Dir au nee gerota ha'n. Aber iber was Gudes lachst De nee; Deine Auga finkeln ju ock asu. Er überzählt das Geld.

VIEHHÄNDLER will nachzählen.

BAUER. Nee nee, luß ock's Geld liega! 's fahlt noch enner. Ganz arglos. Mutter, ich ha' D'r doch zu Mittige an Thaler gega'n. Lä' da Thaler noch zu.

BÄUERIN in Verlegenheit. Mir?

BAUER. Dir! – freilich Dir! Wam denn suste. Lä' da Thaler noch zu. – Ich ha' ock noch zwanzig. Ich ga' D'r'n morne wieder.

BÄUERIN sucht verlegen in ihrer Tasche. Nu Jeses! – da Thaler –!

BAUER. Du mußt doch da Thaler noch ha'n![23]

BÄUERIN. Da Thaler? – ich muß mich amol – an Thaler? – ha' ich etwa nach was? – freilich, ich ha' doch nach was geschickt!

BAUER. Du hättst nach was geschickt! – Nach was denn?

VIEHHÄNDLER. 's kimmt ju nee uf an harten Thaler a, Beate, gieb m'r ock klee Geld.

BÄUERIN. Nu ebens! Ich kan D'r ju au Bihma ga'n.

BAUER. Asu! – Du könntst'n au Bihma ga'n! – Erscht wihl ich wissa, wu De da Thaler hust, Weib! – Erscht schaffst De m'r da Thaler herzu! – Verstiehst De mich! Er rafft plötzlich das Geld wieder zusammen.

VIEHHÄNDLER. Luß ock derweile 's Geld liega, Gotlieb.

BAUER. Erscht schaffst De m'r da Thaler herzu – Weib! Glei uf d'r Stelle! – Du lachst ju gar nimmeh', Viehhändler! Wie kimmt denn das?

VIEHHÄNDLER. Ich? – Da kinnt ma' werklich lacha! 's is wuhr!

BÄUERIN. Au noch! – Als wenn's grade uf an harten Thaler a'käm! –

BAUER. Mutter! – Nu schaff mir uf d'r Stelle da Thaler herzu! – Das sa' ich Dir ei Guden!

BÄUERIN. Ich ha' halt kenn Thaler, luß mich ei Friede!

BAUER. Aha! Du hust kenn' Thaler! – Und ich ha' D'r doch ebens erscht vorhie an Thaler gega'n!

BÄUERIN. Ich ha'n ebens schun ausgega'n! –

BAUER. Asu – Du hust a werklich schun ausgega'n! – Sa' m'r ock blußig fir was?[24]

VIEHHÄNDLER. Wenn Ihr Euch asu zanka wullt, da gih ich menner Wege.

BAUER schreit. Ju Ju, gih! gih! – Also asu is das Ding, Weib. Nu war ich Dir'sch amol sa'n! – Ich zahlte dam erzbetrogna Viehhändler eenundzwanzig Thaler – und hinger'm Ricka hust Du'n unterdessa noch an harten Thaler ei a Hals geschmissa!

BÄUERIN. Ich? – Ich?

VIEHHÄNDLER. Mir hätta se noch an harten Thaler ei a Hals geschmissa? Ich möcht ock wissa, war?

BAUER noch unterdrückt aufkochend. Himmlischer Vater! – Himmlischer Vater!

BÄUERIN. O Jes! Jes! – Vater –

BAUER. Hie sein Betriger im mich! Hie sein Betriger im mich. –

VIEHHÄNDLER der bis zur Thür retiriert ist und sie aufgestoßen hat. Nee ich bitt Dich! Thu ock amol recht verwerrt.

BAUER den die Bäuerin am Arme festhält, schreit. Nu is alle! – Pfui – pfui – pfui –! Das is ju an Teifelswelt. Unter Hunderta is au ni enner, der a gudes Gewissa hot!

VIEHHÄNDLER schreit mit Galgenhumor, während er sich im Hause den Hut aufsetzt, zur Thür herein. Hahaha –! Wegen dam Gewissa Gotlieb – werscht Du D'r wull au de Thaler nahma, wu se kriega kanst. – Er verschwindet eilig nach dem Hofe zu.

BREITE ist hereingeeilt.

BAUER will ihm nachstürzen. Frau und Tochter halten ihn. Was? – Was? – Du bieser Teifelsschelm?[25] Ich wihl Dich doch – ich wihl Dich doch aber a' de Wand drucka – a' de Wand drucka, daß De glei' ei alle Sticke gihst wie a elender Scherba.

BREITE UND BÄUERIN suchen ihn zurückzuhalten.

BREITE. Vater – Vater – mach doch nee a Unglick.

BAUER stehen bleibend, stöhnend. Und das is alles, was ich d'rheeme zu erwarta ha'? – Ma' is seines Lebens nee sicher! Ma' is seines Lebens nimmeh' sicher, daß nee Frau und Kinder au betriga! Tine guckt neugierig aus der Viehstallthür. Da wihl ich doch die ganze – da wihl ich doch glei' die ganze elende Kaluppe zusamma schla'n. Er hat einen Schemel ergriffen, den er auf die Erde stampft, daß er in Stücke kracht.

BREITE versucht ihn zu halten. Vater! Mach doch nee a Unglick! Mach doch nee a Unglick.

BAUER. Luß mich! luß mich! Er reißt sich los. Betriger seid'r alle! Betriger seid'r alle. Hahahaha! Vur senn' eegna Leuta is ma nimmeh' sicher. Pfui Teifel! Pfui Teifel! Ernst und Joseph erscheinen in der Thür. Joseph! – Joseph! Er zieht Joseph hinaus. Hau se naus, Joseph! hau se naus. Mir gehiern die Schweindla nimmeh'. Er ist schon draußen. Man hört noch. Mach a Schweinstall uf! Dann verklingend. Hau se naus! Mutter und Breite sind ihnen hastig gefolgt.


Quelle:
Carl Hauptmann: Ephraims Breite. Berlin 1900, S. 21-26.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Lewald, Fanny

Clementine

Clementine

In ihrem ersten Roman ergreift die Autorin das Wort für die jüdische Emanzipation und setzt sich mit dem Thema arrangierter Vernunftehen auseinander. Eine damals weit verbreitete Praxis, der Fanny Lewald selber nur knapp entgehen konnte.

82 Seiten, 5.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Romantische Geschichten II. Zehn Erzählungen

Romantische Geschichten II. Zehn Erzählungen

Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Michael Holzinger hat für den zweiten Band eine weitere Sammlung von zehn romantischen Meistererzählungen zusammengestellt.

428 Seiten, 16.80 Euro

Ansehen bei Amazon