Dritte Scene.

[36] BAUER HILDEBRANDT ein vierschrötiger Grobian, kommt vom Hause herein. Da treiba sich a drei, vier Schweindla uf d'r Durfstraße rim. Was is d'n das f'r an Zucht! –

BLUMIG aus der Rolle fallend. O, miega se sich rimtreiba, wu se wull'n! Gotlieb hot m'r sche eemol abgekeeft. Ich hul se nimmeh'.

FRANZEL Kretschmer am Rocke reißend. Gustav! – Gustav! Was siehst Du hinter die Viehhändler- Augen, Gustav?[36]

HILDEBRANDT schreit lachend. A schandfleckiger Spitzbube steckt d'rhinger, ich war'sch Euch glei' uffa sa'n! freilich, freilich, wenn amol die grußa Händler uf inse klenn' Derferla kumma, da missa de Fläschla springa.

KRETSCHMER. Nee nee! ma söllt werklich au amol a'fanga, Heinrich.

FRANZEL giebt ihm einen Backenklaps. Ach Du! Du bist Dummer! Hinter die Viehhändler-Augen is sich geschrieben – Sie demonstriert gegen Blumig und die Bauern. Bauer! Du bist Dummer! Alle lachen.

HILDEBRANDT ohne acht auf Franzels Späße. Mit su 'm Schweinehändler is iberhaupt nee gut Kerscha assa. Mit dam wiß ma' niemals ur'ntlich, war vo zween sohl d'r Tumme sein.

BLUMIG dazwischenredend. Ich wiß iberhaupt gar nee, warum De glei' asu'n Lärm machst! Ha' ich mit Dir was geha't? –

HUHNDORF. Nee, fangt ock nee a' zu streita – Ihr Beeda! Insertwegen kan doch Gotlieb mit Blumiga ha'n, was 'r wihl. –

KRETSCHMER. Mit Gotlieba die Sache is grade au asu –

HILDEBRANDT schreiend. Asu a Händler hot a Fuchs hinga – und a Fuchs vurne!

FRANZEL reißt ihn. Du! – Heinrich! – Heinrich!

HILDEBRANDT. Nu was hot's?

FRANZEL. Jesus und Maria – sullst bluß nich su schreien! kriegt man Schmerzkupp, große Schmerzkupp, ich sage.

HILDEBRANDT. Ach! Du werscht's wull noch aushal'n kinn'n. Asu zimperlich is hie nee! [37] Achtlos weiterschreiend. Das sa' ich. Da kumma die grußa Händler uf inse klenn' Derferla –

FRANZEL dem eintretenden Joseph zurufend. Juseph! bring Hilfe, bring Hilfe! die alte Männer kämpfen.

BLUMIG. Wenn mir zwee amol was ha'n söllta – Du brauchst D'r ju das Ding mit Gotlieba blußig amol zu iberlä'n –

SCHINDLERN mischt sich laut hinein. Blumig! Blumig! Das ist alles das Weib! Das ist sich alles das Weib! Aber frage meine Juseph um Gotlieb. Juseph! sag, sag!

JOSEPH gleichmütig. Was? was weiß ich! bitte! Was hab ich iberhaupt fir Leben bei Gotlieb? bitte, Mutter! Ich habe immerfurt Arbeit. Das ist wahr! – Nun – was weiter? – Ich thue Arbeit – und wenn schlimmste Arbeit zu thun ist, wer ist gut? Juseph muß kummen! bitte, was weiter?! Er ist Herr – und er wird Herr sein! und ich – werde Knecht sein, – das ist alles!

HILDEBRANDT schreit weiter. Uf Gotlieba luß ich iberhaupt nischte kumma. Dar hot sei bißla Verstand und Gemite grade, wu's hiegehiert. Wenn enner amol ei Nut is – zu Gotlieba kan'r kumma!

BLUMIG. Mit dar Nut, das wiß ich nee! Ich war zu Gotlieba nee kumma. –

JOSEPH schlägt auf den Tisch, indem er Blumig und dann Hildebrandt eine ausgelassene Grimasse schneidet. Blumig, Heinrich! was sull heißen? Um was giht Spiel? Um was giht Streit? Kumm ich hierher um mit Eich zu streiten, Heinrich? oder sull ich mit Eich spielen und trinken? – Was? –

HILDEBRANDT. Ach gih ock Du mit Denn' Fisematenta![38]

JOSEPH lachend. Du bist rut wie Krebs, Heinrich! Und Blumig, ich dächte, Blumig, Du hust heite schun erlebt, wie Bauer sein kann! was? Oder hust Du Geschichte mit Gotlieb schun vergessen?

FRANZEL. Was sull iberhaupt heißen, Juseph, daß Du mich läßt ganzen Abend allein unter die alte, zankende Männer?!

JOSEPH kühl. Nun Bauer war wütend. Ging sich alles im Hause Hals iber Kupp. Nun hat er sich vur Ärger ins Bett gelegt. – Wenn Du wirst weiter wüten, Heinrich, Du wirst Dich zuletzt auch müssen ins Bett legen vur Ärger.

EINIGE rufen zur Saalthür herein. Musicke! Wu bleit de Musicke!

FRANZEL psalmodiert. »Um eine Kuß von meine Mund, sehnt sich das ganze deitsche Bund!« Ernst geht zum Tanzsaal durch. Dahinter mit scheuem Blick nach dem Honoratiorentisch Breite. Wenn ich Dich habe, meine Juseph, – Schmeiß, schmeiß, Juseph! Wer gewinnt muß sterben! Wenn ich Dich habe, meine Juseph, ich kann leben oder sterben. Es gilt mich ganz gleich.

JOSEPH gleichgültig. Ach was! Ich habe iberhaupt keine Neigung zu sitzen und spielen, Verstehst Du! Kummt tanzen!

EINIGE aus dem Saal rufen wieder. Musicke! Wu blei't de Musicke!

SCHINDLERN erhebt sich resolut. Mach zurecht, Franzel, is auch noch Pause genug.

FRANZEL lauernd leidenschaftlich zu Joseph. Su, jitzt auf einmal?! – Was? – Was is sich das? Ich werde anstreichen Dich, Juseph, wenn Du willst –

JOSEPH geht gegen den Tanzsaal.[39]

FRANZEL ihn bettelnd haltend. Juseph! Juseph! Plötzlich zornig loslassend. Ich habe kein Nattergift gegessen, aber das kann man auch ohne aus Deine Augen sehen, was vurgeht!

SCHINDLERN plötzlich hart zu Franzel. Franzel, sprich kein Wurt! Du wirst sunst haben mit mich zu thun! Gütig zu den Bauern. Nehmt nicht ungitig Ihr Herren, Geschäft ist Geschäft! Schindlern und Joseph ab.

FRANZEL folgt unschlüssig, indem sie zurücklacht. Nämlich, Hermann, hahaha – Du mußt nämlich wissen, Schindlersuhn sull sich durchaus Gut heiraten! hahahaha! Kupplerweib! Kupplerweib! Ebenfalls ab.

BLUMIG ist aufgestanden, unschlüssig. Da kummt ock mite, Ihr Leute!

KRETSCHMER ohne noch Blumig zu beachten. Ach wuhar ock! Zahlen!

BLUMIG. Was seid'r d'n asu biese, Ihr Karle? Zu Glumm, der herangetreten ist. Schick amol a Friedrich naus, daß 'r de klenn' Schweindla ei a Stall brengt. Se wer'n nee weit sein Die Bauern haben sich erhoben. Aber ich kan Euch getroste sa'n, wenn's nee Feierobend war, – daß ich mit menn' Schwarme ei Ruhe wullte, ich hätt doch Gotlieba gar nee erscht an sulchen Preis gemacht.

HILDEBRANDT. Ju ju ju ju. Wenn Du's sa'st und 's is wuhr, da gleeb ich's. Gih ock!

BLUMIG achselzuckend, mit Grimasse. Gih ock! Ab in den Tanzsaal.

KRETSCHMER. 's is eemol asu! De Händler und de Weiber, ma is immer hinger de Fichte gefuhrt.[40]

WIRT der sie dienstfertig hinausbegleitet, lachend. Schloft gesund, Ihr Herren!

DIE BAUERN gehen hintereinander gemächlich ab.


Quelle:
Carl Hauptmann: Ephraims Breite. Berlin 1900, S. 36-41.
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