Neunte Scene.

[70] BÄUERIN kommt mit dem Gesangbuch in der Hand aus der Kirche. Sie tritt verschnaufend an den Tisch und beobachtet bis Joseph mit seiner Arbeit abgeht. Als Joseph hinaus ist,[70] beginnt sie ihre Rede. 's is noch nee genung Kummer, daß sich's eegne Madel asu vergassa kan!

BREITE. Fang ock wieder a', Mutter!

BÄUERIN entrüstet. Wenn das wuhr is, was m'r de Vurstehern d'rzahlte –

BREITE. Ha'n Dich die tumma Weiber wieder amol ufgehetzt ei d'r Kerche? Hot de Vurstehern etwa wieder recht uf Josepha schantiert?

BÄUERIN ohne zu hören. Aber Du und d'r Vater, Ihr mißt ju alles asu weit treiba! Is d'n a Wunder, wenn inse Ernstla uf d'r Landstraße lei't und kenn Pfenn'g ei d'r Tasche hot! Sie hat sich gesetzt und weint einen Augenblick.

BREITE eifrig. Da sa' m'r'sch ock! sa' m'r'sch ock! Wegen Ernsta is's? Wiß d'n d'r Vater schun?

BÄUERIN aufstehend und ihre Sachen ablegend. Aber ma kan sich doch mit 'n Vat'r jitzte gar nee ei'lo'n – mit'n Vater – wie dar is! – Freilich muß 'r'sch wissa, 'r hot doch vum Amte da Brief gekriegt. – Resolut. Nu werd' mir aber de Vurstehern de Adresse verschaffa, nu war ich 'n was schicka. Man hört Tritte. Bäuerin beschäftigt sich scheinbar harmlos.


Quelle:
Carl Hauptmann: Ephraims Breite. Berlin 1900, S. 70-71.
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