Vierzehnte Szene

[691] ALBRECHT zu Frauenhoven. Und nun, du lieber, lieber Herzensfreund, schnell, schnell! Oder besser: Ihr alle! Du die eine Straße hinunter, du die andere, du die dritte!

FRAUENHOVEN. Ihr gabt mir heut morgen den Auftrag, dem Werdenberg nachzureiten! Er hat Euch Eure Braut, die Gräfin von Württemberg, entführt, wißt Ihrs noch?

ALBRECHT. Nenne sie nicht mehr!

NOTHHAFFT VON WERNBERG. Ja, und ich sollte dem Württemberger die Schlüssel von Göppingen abfordern, weil die Heirat durch die Flucht seiner Tochter unmöglich geworden sei, und also das Reugeld herausgezahlt werden müsse!

TÖRRING. Und ich sollte nach München zu Hof und Eurem Vater beides melden!

ALBRECHT. Das ist vorbei, das ist, als obs nie gewesen wäre! Ich jauchze, daß Elisabeth eine Kette zerbrochen hat, die ich sonst selbst zerbrochen haben würde. Ich will nicht einen Dachziegel von Göppingen oder einen Pfenning zur Auslösung, denn ich könnte mir das Leben, das Atemholen, ebenso gut[691] bezahlen lassen, wie meine neue Freiheit, und was meinen Vater betrifft, so steht mir seit lange eine Bitte an ihn zu, und das soll die sein: daß er es ganz so verhalten möge, wie ich!

TÖRRING. Dieser Wechsel ist rasch!

NOTHHAFFT VON WERNBERG. Und kostet Baiern fünfundzwanzigtausend Gulden!

ALBRECHT. Ich kenn Euch nicht mehr! Knapp, schäl mich ab, ich will selbst fort, und in diesem Aufzug schlepp ich einen Schweif von Hunderten hinter mir her.

EIN KNAPPE entkleidet den Herzog des Panzerhemdes usw.

ALBRECHT. Da liegt der Herzog! – Habt Ihr Augen? Schnallt sein Schwert ab. Und da der Ritter! Blumen her, daß ich sie vor ihr ausstreuen kann, wo ich sie finde! Setzt ein Barett auf. Wird mich nun noch jemand erkennen?

TÖRRING. Ohne Schwert? Jeder wird sich zu täuschen glauben!

ALBRECHT indem er abgeht. Freunde, habt Geduld mit mir! Ab.

TÖRRING. Begreift ihr das?

NOTHHAFFT VON WERNBERG. Herzog Ernst wird Augen machen! Der besinnt sich etwas länger, wenn sichs um den Verlust von fünfundzwanzigtausend Gulden handelt.

FRAUENHOVEN. Brüder, richten wir nicht, daß wir nicht gerichtet werden! Das haben wir alle entweder hinter uns oder vor uns. Wenn ihrs noch nicht wißt, so seht ihrs jetzt, warum unsre Altvordern für das Weib den Namen Mannrausch erfanden! Doch diesen Rausch vertreibt man durchs Trinken, wie den andern durch Enthaltsamkeit; je tiefer der Zug, je rascher die Nüchternheit! Darum müssen wir ihm beistehen!

NOTHHAFFT VON WERNBERG. Aber die absonderlichen Reden wollen wir uns merken, wir können sie einmal wieder ausspielen, seis auch nur, um uns selbst unsrer Haut gegen ihn zu wehren. »Habt ihr Augen? – Blumen her! – Ich kenn euch nicht mehr!« Damit belad ich meinen Esel. Sammelt ihr auf, was heut abend abfällt, denn ohne Zweifel trifft der neue Adam seine Eva beim Tanz. Vielleicht ists der Engel von Augsburg?

TÖRRING. Der Engel von Augsburg?

NOTHHAFFT VON WERNBERG. So nennt man hier eine Baderstochter, Agnes Bernauer, deren Schönheit die halbe Stadt verrückt machen soll. Wollen wir die Bude ihres Vaters einmal aufsuchen?[692] Wir können uns die Bärte stutzen lassen, und wer weiß, ob wir das Wunder bei dieser Gelegenheit nicht zu sehen bekommen.

FRAUENHOVEN. Topp! Alle ab.


Grosser Saal im Tanzhause der Stadt.

Festlich geschmückt mit den Panieren der Zünfte und den Wappen der Geschlechter. Abend. Die Gäste versammeln sich rasch, die Zunftmeister empfangen.


Quelle:
Friedrich Hebbel: Werke. Band 1–5, Band 1, München 1963, S. 691-693.
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