Zehnte Szene

[711] FRAUENHOVEN UND NOTHHAFFT VON WERNBERG treten ein.

ALBRECHT. Ist alles bereit?

FRAUENHOVEN. Ein Priester ist gefunden, ders mit dem jungen Herzog gegen den alten wagen will![711]

NOTHHAFFT VON WERNBERG. Aber nur unter der Bedingung, daß es so lange als möglich Geheimnis bleibt!

ALBRECHT. Was sagst du dazu, Agnes?

AGNES. Solange nur Gott es weiß, wird keine meiner Ahnungen in Erfüllung gehen!

ALBRECHT. Also! Wo und wann?

FRAUENHOVEN. Heut abend, Schlag zehn, in der Kapelle der heiligen Maria Magdalena. Aber wir müssen alle vermummt kommen, wie zum Totendienst!

ALBRECHT. Gut! Und morgen nach Vohburg! Agnes, das ist ein rotes Schloß an der grünen Donau, womit meine Mutter – sie ruhe sanft und stehe fröhlich auf – mich für meine erste Schlacht belohnte! Gib acht, dort wirst du über dich selbst lachen, sooft du an diesen Morgen zurückdenkst, da gibts mehr Lerchen, wie anderswo Spatzen, und in jedem Baum fast sitzt eine Nachtigall. Ich schenk es dir zum Leibgeding, nimm den lustigen Vogelkäfig unbesehens an, ich bitte dich, er wird dir gefallen, der Himmel schaut immer blau auf ihn herab, und wenn du dich über eine Gabe, die du noch nicht kennst, auf alle Gefahr hin dankbar bezeigen willst, so nenne mich zum ersten Mal du!

AGNES. Mein Albrecht!

ALBRECHT sie in den Armen haltend. Du weinst dabei?

AGNES. Sollte es nicht nachbrennen? Euch – – dir konnt ich – – Aber es schmerzte mich mehr um deinet-, als um meinetwillen, mir war, als wäre der funkelndste Stern über meinem Haupt auf einmal aus seiner Bahn gewichen, und ich hätte ihn in der Schaudergestalt, in der man sie hier unten zuweilen verlöschen sieht, zu meinen Füßen wieder getroffen! Nun ist mir dafür zumut, als hätt ich schon jetzt mehr vom Leben, als mir gebührt! – Mein Vater!

CASPAR BERNAUER tritt hervor. Sie sollen Vater und Mutter verlassen und aneinander hangen! Mein Kind, ich muß dich segnen, du tust nach Gottes Gebot! So sei er mit dir!


Er legt ihr die Hände aufs Haupt.


ALBRECHT. Auch mich!

CASPAR BERNAUER. Ihr fürchtet, daß Ihr sonst nicht dazu kommt!


Er legt auch ihm die Hände aufs Haupt.[712]


Quelle:
Friedrich Hebbel: Werke. Band 1–5, Band 1, München 1963, S. 711-713.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Agnes Bernauer
Agnes Bernauer (Dodo Press)
Agnes Bernauer: Ein deutsches Trauerspiel in fünf Aufzügen
Maria Magdalena / Agnes Bernauer: Dramen (Fischer Klassik)
Agnes Bernauer.
Agnes Bernauer - Die Nibelungen - Deutsche Klassiker Bibliothek der literarischen Meisterwerke