Zweite Szene

[240] JACOB allein. Wer die sprechen hört, der sollte meinen, sie habe ein Herz mit einem Blitzableiter, wie vornehme Leute. Und doch ist sie eine so weiche Seele, wie eine, nur daß sie das Gute, das sie in der Übereilung tut, hinterher oft wieder bereut. Das ist ihr gar nicht so sehr zu verdenken, es ist ganz natürlich, daß uns das Brot einfällt, das wir weggegeben haben, wenn wir hungrig sind und den Brotschrank leer finden. Was mich betrifft, so bin ich selbst Soldat gewesen, und der Himmel hat mir meine gesunden Beine gelassen: wie könnt ich ihm für seine Gnade besser danken, als dadurch, daß ich den Kameraden, dem Bonaparte sie wegschoß, bei mir aufnehme? Er nimmt aus der Tischschieblade einen alten Kasten hervor. Ei, das[240] glänzt ja, wie Feuer! Man sollte glauben, es sei ein Edelstein! Doch nein, womit hat der Tote verdient, daß ich ihn noch im Grabe beleidige? Wär dies ein Edelstein, so wär er auch ebenso gewiß ein Dieb, denn das mit der Prinzessin – – Er betrachtet den Stein. Bei alledem, in unsern Steinbrüchen finden sich solche Prachtstücke nicht, man trifft dort nur bürgerliches Pack, Quarze, Kiesel und dergleichen, aber nichts, was schimmert und gleißt, als wär es von der Sonne heruntergefallen! Geht dort nicht ein Jude? Er sieht aus dem Fenster. Der kommt zur rechten Zeit! Er ruft. Heda, Ihr, im blauen Rock, tretet einmal heran!


Quelle:
Friedrich Hebbel: Werke. Band 1–5, Band 1, München 1963, S. 240-241.
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