Neunte Szene

[607] SOLIMAN tritt aus seiner Tür.

Heda! Junger Bursch!

ASSAD.

Kann ich Euch dienen, Herr?

SOLIMAN.

– Euch dienen, Herr?

Sprachst du: Euch dienen, Herr?

ASSAD.

Das tat ich, Herr!

SOLIMAN.

Das tat ich, Herr, nicht so?

ASSAD.

Ei, allerdings!

SOLIMAN.

Ei, allerdings! Es ist so! In der Tat!

Die Wolle, nicht das Ohr, war schuld daran!

Allah sei Dank dafür! Allein ich sage

Es keinem! Wenn sie für stocktaub mich halten,

So kann ich leichter lauschen und erfahren,

Was sie im stillen treiben!


Zu Assad.


Noch einmal!

ASSAD.

Herr, foppt Ihr mich?

SOLIMAN.

Ich bitte, etwas leiser,

Dies hätte ich auch gestern hören können!

ASSAD.

Ich lasse mich nicht foppen, und Ihr seid

Zu alt, als daß ichs Euch


Er ballt die Hand.


beweisen dürfte!

Drum geh ich!


Will gehen.


SOLIMAN.

Nicht doch! Bleib! Ich mein es gut!

Ich rief dich, um mein Ohr zu prüfen! Sieh –

Doch, das nachher! Erst weiter!

ASSAD kehrt sich wieder um.

Alter Narr!

SOLIMAN.

Ja! – Alter Narr! Ich schenk dir was! Ganz deutlich!

Und dies Mal sprach er leise! Komm!


Er geht zu dem Auslagekasten vor seinem Fenster.


Such aus!

Was dir gefällt! Das heißt natürlich hier,

Wo alles unecht ist!

ASSAD tritt heran.

O, welche Pracht!

SOLIMAN.

Nicht wahr, mein lieber, guter, junger Mensch,

Wer so viel hat, der ist ein reicher Mann?

Und doch hab ich noch mehr! Du schaust darein,

Als ob das gar nicht möglich wär? Doch! Doch!

Und weil du mir gefällst, so will ich dir[608]

Auch das noch zeigen, was ich keinem zeige,

Der nicht zum wenigsten ein Emir ist!


Er öffnet ein Schubfach.


Was sagst du dazu, he? Die liebe Sonne

Meints gleichfalls gut mit dir! Sie scheint auf einmal

So hell, wie sie den ganzen Tag nicht schien!

Nun sieh dich satt! Doch greife mir nichts an,

Denn – deine Finger scheinen zwar nicht klebrigt,

Allein –

ASSAD.

Das sind wohl echte Edelsteine?

SOLIMAN.

Verlaß dich drauf! Wer beßre zeigen kann,

Dem schenk ich meine Augen!

ASSAD.

Also seh ich

Das Herrlichste und Köstlichste der Welt!

SOLIMAN.

Das tust du, Freund, das tust du!


Beiseite.


Wie ich höre!

Ein wunderlicher, guter junger Mensch!

Er freut sich über meine Edelsteine,

Wie kleine Kinder übern Mond sich freun!

ASSAD zeigt auf einige Steine.

Die sehn wie Wasser aus! Sind grün, wie das!

SOLIMAN.

Smaragde nennt man sie! Wie Wasser?


Schüttelt den Kopf.


Himmel!

ASSAD.

Die kommen auch wohl aus dem Wasser?

SOLIMAN.

Nein!

Doch, doch! Man pflegt sie in dem Schlamm zu finden,

Der sich in Fischernetzen setzt.

ASSAD.

Mein Vater

War selbst ein Fischer, aber niemals fand

Ich einen solchen Stein in seinem Netz!

SOLIMAN für sich.

Der glaubt mir!


Laut.


Nun, in jedem Flusse trifft

Man sie nicht an!

ASSAD zeigt auf andere Steine.

Die sind so blau, wie Luft!

SOLIMAN.

Saphire sinds! Sie fallen aus den Wolken!

ASSAD.

Was tun sie?

SOLIMAN.

Wußtest du das nicht? Ei, freilich![609]

Wir tragen ja bei uns den Turban bloß,

Damit sie uns den Schädel nicht zerschmettern!

ASSAD.

Ich merks! Ich habe dumm gefragt!

SOLIMAN.

Ja wohl!

Und weil du mir die erste Lüge glaubtest,

Ließ ich die zweite zur Enttäuschung folgen!

Die Edelsteine kommen aus der Erde,

Sie wachsen da, wo alles wächst!

ASSAD erblickt den Rubin und streckt die Hand aus.

O, Allah!

SOLIMAN.

Dies Feuer brennt dich, wie es scheint!

ASSAD.

Das ist –

SOLIMAN.

Nun, was wohl? he?

ASSAD.

Das übrige ist nichts,

Ist alles nichts! Weg, weg damit! Ich könnt es

Mit Füßen treten!

SOLIMAN.

Wird er mir verrückt?

ASSAD.

Das wären Edelsteine? Alter Mann,

Ihr seid betrogen!


Er zeigt wieder auf den Rubin.


Das –

SOLIMAN.

Ist ein Rubin,

Rot, wie die andern grün und blau, nun gibt

Es auch noch weiße!

ASSAD.

Schweigt! O, schweigt davon!

Hier sehe ich den Mittelpunkt der Welt!

Wer diesen Stein ergreift und dann ins Meer

Hinab sich stürzt, der zieht die Könige

Sich wie die Bettler nach! Die ganze Erde

Wird menschenleer in einem Augenblick.

SOLIMAN.

Und dennoch ist der Diamant noch edler!

ASSAD.

Noch edler? Reizt mich nicht!

SOLIMAN.

Ich mache jetzt

Ein Ende!


Er nimmt einen Ring.


Gib mir deine Hand einmal!

ASSAD gibt ihm, aber fast bewußtlos, die Hand.


SOLIMAN steckt ihm den Ring an.

Da hast du was! Nun denk an mich und geh!

ASSAD streift den Ring wieder ab.

Pfui! Pfui! Ein Regenwurm, mir um den Finger

Gewickelt, wär mir ganz so lieb![610]

SOLIMAN legt den Ring wieder hin.

Auch gut!

Ich hab noch Platz für ihn!

ASSAD.

Gebt den Rubin!

SOLIMAN.

Ha! Ha!

ASSAD.

Ich muß ihn haben!

SOLIMAN.

In der Tat?

ASSAD.

Wollt Ihr ihn geben?

SOLIMAN.

Wenn dir der Kalif

Die Krone aufgesetzt hat! Eher nicht!

ASSAD.

Ich fleh Euch an –

SOLIMAN.

Beim Barte des Propheten,

Jetzt ists genug!


Er will den Kasten schließen.


ASSAD stößt ihn vor die Brust.

Was untersteht Ihr Euch?

SOLIMAN schreit.

He! Hülfe!

ASSAD.

Der Rubin ist mein!


Er ergreift ihn und stürzt fort.


SOLIMAN hinterdrein.

Ein Dieb!

Ein Räuber! Haltet auf! Ein Mörder! Greift ihn!

VOLK rennt durcheinander.

Wen denn?

SOLIMAN.

Den da! Den Burschen!

HAKAM packt Assad.

Diesen hier? –

SOLIMAN.

Wen sonst?


Er tritt zu Assad.


Du Bösewicht!


Zu Hakam.


Ich dank dir, Freund!

KHALF herzutretend.

Was ists mit dem?

SOLIMAN.

Erst laßt mich Atem schöpfen!

HAKAM.

Ich kenn den Menschen!

KHALF.

Nun?

HAKAM zu Assad.

Dieb! Räuber! Mörder!

Das ist genug für einmal, Kamerad!

Jetzt bist dus ja wohl wieder?

ASSAD.

O, der Schmach,

Daß Schelme mich für ihresgleichen halten,

Weil ich –


Zu Hakam.


Ich habe nichts mit dir gemein!

Prüft mich, ob ich ein Dieb und Räuber bin,

Werft, was Ihr habt an Gold und an Juwelen,

Werfts auf das Pflaster hin, laßt mich allein[611]

Und seht in einer Stunde nach, ob ich –

HAKAM.

Noch da bin, he?

VOLK lacht.

ASSAD.

Allah, steh du mir bei!

Du hast dies Herz in meine Brust gesetzt,

Nimm es heraus und zeig, wie rein es ist!

SOLIMAN.

Der freche Bube denkt gewiß zu leugnen,

Daß er so spricht! Vielleicht hat er mein Kleinod

Im Laufen weggeworfen!

ASSAD.

Blöder Tor!

So wenig, wie den Kopf!

SOLIMAN.

Dann – her damit!

ASSAD.

So lang ich lebe, nicht!

SOLIMAN dringt auf ihn ein.

Wir werden sehn!

ASSAD.

Ja wohl!


Er entreißt Soliman den Dolch, den er trägt.


Nun kommt nur!


Er sticht nach Soliman.


VOLK.

Der Kadi! Macht Platz!


Quelle:
Friedrich Hebbel: Werke. Band 1–5, Band 1, München 1963, S. 607-612.
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