[630] Der Kadi. Nachtwache mit Fackeln erscheint.
DER KADI.
Greift jeden, den ihr trefft!
Hier wurde Mord geschrieen!
ASSAD ist, gleich wie Hakam stürzte, neben ihm niedergekniet.
Ist das wahr?[630]
Traf ich dich tödlich? Sprich! – Er kann nicht mehr!
So wäre ich ja – Wo ist deine Wunde?
Er ruft.
O, helft, helft!
SELIM.
Hieher!
DER KADI.
Nun, was gibt es hier?
SELIM.
Hier liegen zwei am Boden!
DER KADI.
Mit den Fackeln
Herbei!
Die Nachtwache umzingelt Hakam und Assad.
SELIM zu Assad.
Wer bist du?
Er erkennt ihn.
Ha!
Er springt zurück.
DER KADI.
Du schrickst zurück?
Ist er bewaffnet? Stach er dich?
SELIM.
Verzeih!
Das ist –
DER KADI.
Wer denn! Doch nicht –
Er ergreift selbst eine Fackel und beleuchtet Assad.
Ei freilich, freilich,
Das ist der Bube, den die Erde heut
Verschlungen haben soll! Dank, Allah, Dank!
So wirds mir doch belohnt, daß ich mich selbst
Für diese Nacht der Wache beigesellt.
Ich hab den Flüchtling!
ASSAD.
Steht doch diesem bei!
Weswegen kamt Ihr, wenn Ihr das nicht wollt!
DER KADI.
Der Bursch verspricht das Mögliche! Er hat,
Man siehts, hier einen mördrisch angefallen
Und ruft, nun er den Richter kommen hört,
Mit eigner Kehle nach Verband und Ärzten!
Es hilft nur leider nichts! Mich täuscht das nicht!
Packt ihn und hebt den andern auf!
HAKAM.
Ich glaube,
Ich brauche keine Hülfe, wenn ich auch
Verwundet bin!
Er steht auf.
Doch, doch! Mir schwindelt jetzt!
Die Umstehenden unterstützen ihn, Selim untersucht ihn.
SELIM.
Es ist nicht viel! Ein Schlitz im linken Arm!
Bindet ihm ein Tuch um den Arm.[631]
Pfui, schäme dich, daß du von Schwindel sprichst!
HAKAM.
Gewiß nicht mehr? Ich glaubte –
SELIM.
Halt doch still!
Was sonst?
DER KADI zu Hakam.
Bist du nicht der, der diesen fing,
Als er entlief? Ich soll dich an der Stimme
Erkennen!
HAKAM.
Hätt ich diese Wunde wohl,
Wenn ichs nicht wäre? Nur aus Rache fiel
Er mich hier an.
DER KADI.
Das paßt zum übrigen!
ASSAD.
Elender, hast du mich nicht erst beraubt,
Und wußte ich auch nur, daß du es warst?
HAKAM.
Ich bin zum Schwur bereit!
DER KADI.
Des braucht es nicht!
Ich kenne ihn, wie dich! Der Bube da
Ist schuld dran, daß mein Rustan sich erhing,
Und du bist, wenn auch ohne dein Verdienst,
Jetzt Ursach, daß ich ihm das lohnen kann.
Ihm wird der schnellste Galgentod zuteil,
Du sollst den Preis, den ich im ersten Grimm
Auf seinen schlechten Kopf gesetzt, erhalten,
Wenn du nicht eine andre Bitte hast!
HAKAM.
Herr, gebt mir Rustans Amt! – Laßt mich dies Amt
Zum wenigsten an dem vollziehn!
DER KADI.
Du bist
Ein wenig keck! Und doch – Mir mißfällts nicht!
Es sei!
HAKAM.
Mißlingt mein Probestück an ihm,
So laßt ihn seins an mir versuchen!
DER KADI.
Mach dich
Bereit, es gleich beim ersten Morgengraun
Vor meinen eignen Augen abzulegen!
HAKAM.
Ich bins!
Für sich.
Ich kenn das Knotenknüpfen längst.
Zu Assad.
Du stachest mich, und ich, ich hänge dich!
Siehst du, wie alles sich auf Erden dreht?[632]
DER KADI zu Assad.
Nun? – Es wird Ernst! – Verschwinde noch einmal!
Du zögerst? – Fehlt der schurkische Genoß
Jetzt mit dem Räucherpulver? Denn der Dampf
Von Räucherpulver wars, der dich verhüllte,
Nicht eine Wolke, wie die Toren glaubten,
Ich hätt den Kniff im Augenblick durchschaut!
Zu Selim.
Siehst du hier noch ein Wunder?
SELIM.
Herr, vergib!
DER KADI.
Nun rasch zum Markt, wo er den Raub beging!
Denn, wo er sündigte, da soll er büßen!
Ab, mit allen.
ASSAD indem er abgeführt wird.
Ehrwürdger Greis, verließest du mich auch?
Buchempfehlung
Autobiografisches aus dem besonderen Verhältnis der Autorin zu Franz Grillparzer, der sie vor ihrem großen Erfolg immerwieder zum weiteren Schreiben ermutigt hatte.
40 Seiten, 3.80 Euro
Buchempfehlung
Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Für den dritten Band hat Michael Holzinger neun weitere Meistererzählungen aus dem Biedermeier zusammengefasst.
444 Seiten, 19.80 Euro