Vierte Szene

[627] HAKAM tritt im Hintergrund auf.

So groß die Stadt ist, überall gibts Augen,

Die einen hindern, in der Nacht sogar!

Wie oft bin ich nun schon gestört! Die Assads

Sind selten in der Welt! Dem wollte ich

Den Turban stehlen, während er ihn trägt,

Und gleich darauf ihn an ihn selbst verkaufen.

Wo mag er nur geblieben sein! Ich wette:

Wenn ihn der Greis nicht überwacht, wie 'n Kind,

So liegt er irgendwo jetzt auf der Straße,

Die Augen zu, die Hand halb offen

Und in der Hand den Stein!

ASSAD nachsinnend.

Auch das ist nichts!

HAKAM.

Dort redet einer! Sprach ich nicht von Stehlen?

Es wäre dumm, wenn der – Ei was, ei was!

Er spricht ja selbst! Ich will ihn doch belauschen,

Wer weiß, was man erfährt!


Er nähert sich Assad.


ASSAD.

Wie schön sie war!

HAKAM.

So, war sie schön? Nun, das ist ein Geheimnis,

Wofür mir höchstens der was gibt, der sie

Zum Weibe nehmen soll! Allein die Stimme

Kommt mir bekannt vor! Das – Ja, das ist Assad! –

Das alte Kleid! Der Greis hat nichts für ihn

Getan!


Ruft.


As –


Unterbricht sich.


Still! Ich will erst sehn, wie's steht!

ASSAD.

Dahin! Dahin!

HAKAM.

Das heißt: er ist schon fort!

Ein solcher Stein! Du Tor! Nun wundre dich,

Wie schlecht die Menschen sind! Nun klag und seufze!

Gleich könnt ich dir von hinten eines geben

Für diese grobe Unvorsichtigkeit!

ASSAD sieht auf den Rubin.

Das ist sie jetzt!

HAKAM.

Nein, nein, er hat ihn noch!

Nun, so gewiß ich morgen essen will,

Rubin, vor Tag noch wechselst du den Herrn.[628]

Er ist mir zwar an Kräften überlegen,

Allein im Laufen kam er stets zu kurz

Und obendrein hat er noch wunde Füße!

ASSAD.

Wüßt ich nur ihren Namen! Doch ich war

So ganz verwirrt, daß ich vergaß, zu fragen!

Nun tuts mir weh, daß ich sie nicht einmal

Zu nennen weiß!

HAKAM.

Er ist verliebt, wie's scheint!

Tat dir ein schadenfroher Wind den Dienst?

Hat er den Schleier eines schönen Weibes

Gelüftet, das ins Bad getragen ward?

Ei, freilich, nach dem Namen hättest du

Den obersten Eunuchen fragen sollen,

Dann wüßtest du es jetzt schon ganz genau,

Wie gut zum Bambusrohr dein Schädel paßt!

ASSAD.

Ich solls an jedem Ort vollbringen können

Und auch zu jeder Zeit!

HAKAM.

Jetzt faselt er!

Ei, denk sie dir mit einem starken Schnupfen,

Sieh ihrer Mutter ins Gesicht und sag dir:

So sieht sie selbst in zwanzig Jahren aus,

Dann nimmt dein Fieber ab!

ASSAD.

Was ist es nur?

Ein altes Märchen klingt mir in den Ohren,

Ein schauerliches, wie kein zweites mehr!

HAKAM.

Erzähls! Erweiche dich! Vergieße Tränen

Und laß den Stein, wenn du dir mit der Hand

Die Augen trocknest, fallen! Ich erspare

Dir gern die Müh, ihn wieder aufzuheben!

ASSAD.

Ein wunderschönes Mädchen war verzaubert,

Nicht an Gestalt, allein in ihrem Sinn.

Sie haßte, was sie sonst geliebt, und wurde

Nur dadurch, daß ihr der Geliebte selbst

Den Dolch ins Herz stieß, was er tat im Zorn

Und in der Wut der Eifersucht, erlöst!

HAKAM.

Das hört ich schon vom alten Araber!

Ich schob ihm, als er grade dies erzählte,

Den Igel untern Burnus, der ihn stach![629]

ASSAD.

Hätt ich vielleicht, als sie in Fleisch und Blut

Hier vor mir stand, mit meinem Dolch das gleiche

An ihr – Mich schaudert! Aber das war sicher

Im Widerspruch mit allem, was ich dachte

Und was ich fühlte! Doch, das kanns nicht sein,

Denn das vermögt ich jetzt ja schon nicht mehr!

HAKAM.

Er träumt im Stehn. Gleich fällt er um. Dann geh ich

Ans Werk!


Er tritt dicht hinter Assad.


ASSAD geht lebhaft vorwärts.

Ich will mich heut nicht länger quälen,

Ich will mich freun und dem mit Zuversicht

Vertraun, der über mir und ihr ist. Ists

Für heut nicht schon genug, daß ich sie sah,

Und daß sie freundlich mit mir sprach? Ihr Auge

War aus der Wolke noch auf mich gerichtet,

Ja, selbst aus dem Rubin heraus noch scheint

Sein Strahl mich anzublicken. Leuchtet er

Nicht wie ein Stern?


Hält den Rubin in die Höhe.


HAKAM der ihm gefolgt ist, greift nach dem Stein, und ruft mit verstellter Stimme.

Ja! Er gefällt auch mir! –

Triumph! Ich hab ihn!


Er läuft fort.


ASSAD eilt ihm mit gezücktem Dolche nach.

Stirb für diesen Raub!


Er sticht ihn.


HAKAM.

Mord!

ASSAD.

Raub!


Er überwältigt Hakam.


Ich hab ihn wieder! Büß es jetzt,

Daß du ihn angefaßt! Und mit dem Tode!

HAKAM.

Ich hab genug!


Stürzt um.


Quelle:
Friedrich Hebbel: Werke. Band 1–5, Band 1, München 1963, S. 627-630.
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