Achte Szene

[236] Rüdeger mit Gefolge tritt ein.


KRIEMHILD.

Seid mir willkommen, Markgraf Rüdeger! –

Doch sprecht, ists wirklich wahr, was man mir meldet,

Ihr seid als Bote hier?

RÜDEGER.

So ists! Doch nur

Als Bote Etzels, der kein einzges Szepter

In Königs-Händen unzerbrochen ließ,

Als das der Nibelungen.

KRIEMHILD.

Einerlei,

Ich bin darum nicht weniger erstaunt!

Ihr seid mir längst gerühmt. Ein Abenteuer

Und Rüdeger, ders andern weggenommen,

Die wurden stets zugleich bei uns genannt,

Und wenn man Euch als Boten schicken kann,

So sollte man Euch doch so lange sparen,

Bis man ums Beste dieser Erde schickt.

RÜDEGER.

Das hat mein Herr und König auch getan.

KRIEMHILD.

Wie, Rüdeger, du wirbst um eine Witwe

Und suchst sie in der Mördergrube auf?

RÜDEGER.

Was sagst du, Königin?

KRIEMHILD.

Die Schwalben fliehen

Von dannen, und die frommen Störche kehren

Ins hundertjährge Nest nicht mehr zurück,

Doch König Etzel spricht als Freier ein.

RÜDEGER.

Unselig sind die Worte, die du redest.

KRIEMHILD.

Unselger noch die Taten, die ich sah! –

Verstell dich nicht! Du weißt, wie Siegfried starb,

Und hättst du nur das Ammenlied behorcht,

Womit man jetzt am Rhein die Kinder schreckt.

RÜDEGER.

Und wenn ichs weiß?

KRIEMHILD.

Herr Etzel ist noch Heide,

Nicht wahr?

RÜDEGER.

Wenn dus verlangst, so wird er Christ!

KRIEMHILD.

Er bleibe, was er ist! – Ich will dich nicht

Betrügen, Rüdeger, mein Herz ist tot,

Wie der, für den es schlug, doch meine Hand[236]

Hat einen Preis!

RÜDEGER.

Ich biet ein Königreich,

Das auf der Erde keine Grenzen hat.

KRIEMHILD.

Ein Königreich ist wenig oder viel,

Wie wirds bei Euch verteilt? Dem Mann das Schwert,

Nicht wahr, die Krone und der Herrscherstab,

Dem Weib die Flitter, das gestickte Kleid?

Nein, nein, ich brauche mehr.

RÜDEGER.

Was es auch sei,

Es ist gewährt, noch eh dus fordern kannst.

KRIEMHILD.

Herr Etzel wird mir keinen Dienst versagen?

RÜDEGER.

Ich bürge dir!

KRIEMHILD.

Und du?

RÜDEGER.

Was ich vermag,

Ist dein bis auf den letzten Odemzug.

KRIEMHILD.

Herr Markgraf, schwört mir das!

RÜDEGER.

Ich schwör es Euch!

KRIEMHILD für sich.

Sie kennen meinen Preis, ich bins gewiß!


Zu den Dienern.


Die Könige!

RÜDEGER.

So hab ich denn dein Wort?

KRIEMHILD.

Herr Etzel ist auch in Burgund bekannt,

Wer seinen Namen hört, der denkt zuerst

An Blut und Feuer, dann an einen Menschen! –

Ja wohl, du hast mein Wort! – Man sagt: die Krone

Muß ihm ums Angesicht zusammenschmelzen,

Der glühnde Degen aus den Händen tröpfeln,

Eh er im Stürmen inne hält! Das ist

Der Mann dafür, dem wird es Wollust sein!


Quelle:
Friedrich Hebbel: Werke. Band 1–5, Band 2, München 1963, S. 236-237.
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