Neunte Szene

[254] Giselher tritt auf.


RÜDEGER.

Zu Tisch! Dort lösen wir dies Rätsel auf,

Wenn wir die Nüsse und die Mandeln knacken.

GISELHER.

Mein edler Markgraf, erst erlaubt ein Wort.

RÜDEGER.

Soviel der Küchenmeister noch gestattet,

Nicht mehr noch weniger.

GISELHER.

Ich bitte Euch

Um Eurer Tochter Hand.

GERENOT.

Ei, Giselher!

GISELHER.

Ists dir nicht recht? Sprich auch! Und laß uns schwören:

Wie uns das Los auch fällt, wir grollen nicht!

Du lachst? Du sprachst wohl schon und hast dein Ja?

Nun wohl, ich halt auch dann, was ich gelobt,

Doch nehm ich nie ein Weib!

GERENOT.

Was fällt dir ein!

RÜDEGER winkt Frau und Tochter.

Tritt her, Gudrun!

HAGEN schlägt Giselher auf die Schulter.

Du bist ein braver Schmied! –

Das wird ein Ring! – Ich leg mein Fürwort ein!

GUNTHER.

Das tu auch ich. Es wird mich hoch erfreun,

Wenn ich auf diese reine Jungfraun-Stirn

Die Krone setzen darf.

GISELHER zu Gudrun.

Und du?

GÖTELINDE da Gudrun schweigt.

O weh!

So wißt Ihrs nicht schon längst durch das Gerücht?[254]

Mein Kind ist taub und stumm.

RÜDEGER.

Ich geb Euch gern

Euer Wort zurück.

GISELHER.

Ich habs noch nicht verlangt,

Sie wäre ohne das zu gut für mich.

HAGEN.

Recht, hämmre tüchtig zu! Denn solch ein Ring

Paßt ganz in unsre Kette.


Zu Volker.


Wenn sies wagt,

So soll sie zehn Mal blutger sein, wie ich!

GISELHER.

Gudrun – Ach ich vergesse! Lehrt mich rasch

Die Zeichen, die ihr braucht, mit ihr zu reden,

Und dies Mal fragt für mich.

GUDRUN.

Ei, glaubs doch nicht,

Ich schämte mich ja nur.

VOLKER.

Du liebes Kind!

Auf deinen Lippen muß ein Zauber wohnen,

Wer sich beim ersten Kuß was wünscht, der hats.

GISELHER.

So sprich!

GUDRUN.

Mein Vater sprach ja auch noch nicht.

HAGEN zu Rüdeger.

Da hast du Vollmacht! Siegle! Denn dein Koch

Wird ungeduldig.

RÜDEGER gegen Gunther.

Braucht es meiner noch?

Muß ich die Rolle jenes Narren spielen,

Dem eine Krone auf den Scheitel fiel,

Und der gen Himmel rief: Ich nehm sie an?

Es sei, und also sag ich ja!


Zu Hagen.


Nun weißt du,

Wie tief ich gegen euch verschworen bin.

HAGEN.

So gebt euch denn die Hände! Brav! Der Ring

Ist fertig! Keinen Schlag mehr, Schmied! Die Hochzeit

Erst bei der Wiederkehr!

GISELHER.

Warum?

GÖTELINDE.

Ei wohl!

RÜDEGER.

Ich harrte sieben Jahr.[255]

HAGEN.

Doch darfst du nicht

Zurück gewiesen werden, wenn dir auch

Ein paar von deinen Gliedern fehlen sollten –


Zu Gudrun.


Ich steh dafür, er kommt nicht ohne Kopf!

RÜDEGER.

Das gehn wir ein. Es gilt ja nur ein Fest.

DIETRICH tritt plötzlich hinzu.

Wer weiß! Frau Kriemhild weint noch Tag und Nacht.

HAGEN.

Und Etzel duldets? Pah! Da schellt der Koch.

DIETRICH.

Ich bin gekommen, um euch das zu sagen,

Es ist geschehn, nun achtets, wie ihr wollt.


Geht mit Rüdeger zum Bankett.


Quelle:
Friedrich Hebbel: Werke. Band 1–5, Band 2, München 1963, S. 254-256.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Die Nibelungen
Die Nibelungen
Dramen (Judith - Maria Magdalena - Gyges und sein Ring - Die Nibelungen)
Agnes Bernauer - Die Nibelungen - Deutsche Klassiker Bibliothek der literarischen Meisterwerke

Buchempfehlung

Holz, Arno

Phantasus / Dafnis

Phantasus / Dafnis

Der lyrische Zyklus um den Sohn des Schlafes und seine Verwandlungskünste, die dem Menschen die Träume geben, ist eine Allegorie auf das Schaffen des Dichters.

178 Seiten, 9.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Biedermeier. Neun Erzählungen

Geschichten aus dem Biedermeier. Neun Erzählungen

Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Dass das gelungen ist, zeigt Michael Holzingers Auswahl von neun Meistererzählungen aus der sogenannten Biedermeierzeit.

434 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon