Fünfte Szene

[207] KÄMMERER vor der Tür schreit.

Heilger Gott!

UTE.

Was ists? Was gibts?

KÄMMERER tritt ein.

Ich wäre fast gefallen.

UTE.

Und darum dies Geschrei?

KÄMMERER.

Ein toter Mann!

UTE.

Wie? Was?

KÄMMERER.

Ein toter Mann liegt vor der Tür.

UTE.

Ein toter Mann?

KRIEMHILD fällt um.

So ists auch mein Gemahl!

UTE sie auffangend.

Unmöglich!


Zum Kämmerer.


Leuchte!

KÄMMERER tut es und nickt dann.

UTE.

Siegfried? – Mord und Tod!

Auf, auf, was schläft!

KÄMMERER.

Zu Hülfe!


Die Mägde stürzen herein.


UTE.

Ärmstes Weib!

KRIEMHILD sich erhebend.

Das riet Brunhild, und Hagen hats getan! –

Ein Licht![207]

UTE.

Mein Kind! Er –

KRIEMHILD ergreift eine Kerze.

Ists! Ich weiß, ich weiß!

Nur, daß man ihn nicht tritt. Du hörtest ja,

Die Kämmrer stolpern über ihn. Die Kämmrer!

Sonst wichen alle Kön'ge aus.

UTE.

So gib.

KRIEMHILD.

Ich setz es selber hin.


Sie stößt die Tür auf und fällt zu Boden.


O Mutter, Mutter,

Warum gebarst du mich! – Du teures Haupt,

Ich küsse dich und such nicht erst den Mund,

Jetzt ist er überall. Du kannst nicht wehren,

Sonst tätest dus vielleicht, denn diese Lippen – –

Es tut zu weh.

KÄMMERER.

Sie stirbt.

UTE.

Ich könnt ihr wünschen,

Es wäre so!


Quelle:
Friedrich Hebbel: Werke. Band 1–5, Band 2, München 1963, S. 207-208.
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