Sechszehnte Szene


[146] Golo, Caspar, Balthasar, Hans, Conrad, Margaretha, Katharina treten ungestüm mit Lichtern ein.


GOLO.

Verzeiht. Wir glaubten, daß hier Feuer sei.

GENOVEVA wirft ein Tuch über.

Ihr seht, hier ist kein Feuer. Geht denn! Nun?

HANS.

Sie drängt ja sehr!

BALTHASAR.

Wir kommen ihr nicht recht.

CONRAD.

Nun, nun! Käm man um diese Zeit ihr recht,

So wär sie, was sie nicht ist, wie wir sehn.

GENOVEVA.

Ich sagte: geht! Vergaßt ihr, wer ich bin?

CASPAR zückt gegen Katharina das Messer.

Kniet vor dem Engel nieder, schlechtes Weib!

KATHARINA.

Guckt erst mal hinters Bett!

CASPAR.

Ha, was ist das?


Er tuts, zu Katharina.


Ich bitt Euch um Verzeihung!


Zu dem versteckten Drago.


Hund, hervor!

DRAGO kommt, in höchster Verwirrung.

Herr Golo –

CASPAR.

Wär Herr Golo auch so schwach,

Dir zu vergeben, eh er noch das Wort

Aussprechen kann, stehst du vor Gottes Thron!


Er sticht Drago nieder.


Frau Gräfin, mit Erlaubnis: das ist schlecht!

GOLO.

Freund, du bist rasch!

CASPAR.

Ho!

MARGARETHA zu Golo.

Freut Euch! Ihr habt Glück!

Wenn ers nicht tat, so mußtet Ihr es tun!

BALTHASAR.

Was sagt Ihr nun, Frau Gräfin?

GENOVEVA.

Nichts zu Euch!

BALTHASAR.

Das glaub ich. Nichts zu uns, die wir es sahn!

Was aber wohl zu dem, ders hört von uns?


Heimlich.


Was mich betrifft, mich macht der Goldring blind!

Dann deute ichs auf einen Mordplan aus,[146]

Den mir der Tote vorlängst schon verriet,

Durch Winke freilich, die ich nicht verstand.

GENOVEVA tritt mit Würde unter sie alle.

Glaubt, was ihr seht. Nur bitt ich, glaubt nichts mehr,

Als was ihr seht. Ihr brachtet Lichter mit,

Gebt mir ein Licht!


Sie leuchtet gegen das Bett.


CONRAD.

Das Bett ist unberührt.

MARGARETHA.

Nun, das beweist: unschuldig ist das Bett!

Wer hat das Bett verklagt?

GENOVEVA tritt vor Golo hin.

Euch ruf ich auf!

Sagt Ihr, Herr Golo, was Ihr denkt und glaubt.

GOLO.

Ich heiß nicht Siegfried, bin der Richter nicht.

GENOVEVA.

Ihr mahnt mich recht!

BALTHASAR.

Die ist ja nach dem Fall

Viel stolzer noch, als Bessere vorher.

Doch bräche sich der Stolz vielleicht im Turm.

Wär ich der Herr –


Zu Golo.


Ihr seids – sie müßte gleich

Hinunter; – wenn dem Grafen dann der Schmuck,

Den der ihm aufgesetzt, gefiele, nun –

So holt er sie mit leichter Mühe ja

Zurück ins Bett, ich aber spuckte aus

Und kündigte zur Stunde ihm den Dienst.

GENOVEVA.

Führt mich, wohin es sei, nur führt mich hin,

Wo ich dies Blut nicht seh.

GOLO.

Zum Turm mit ihr!


Alle ab bis auf Golo.


GOLO sich gegen Dragos Leichnam wendend.

Ein Mord! Was ist ein Mord? Was ist ein Mensch?

Ein Nichts! So ist denn auch ein Mord ein Nichts!

Und wenn ein Mord ein Nichts ist, dien er mir

Als Sporn für das, was wen'ger, als ein Mord,

Und also wen'ger, als ein Nichts noch ist!


Er folgt den übrigen.[147]


Quelle:
Friedrich Hebbel: Werke. Band 1–5, Band 1, München 1963, S. 146-148.
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