3. Sieg

[200] Zum ersten Male ist sie heut' gegangen

Als junge Christin zum Altar des Herrn;

Die dunklen Worte, die vorher erklangen,

Sie hielten ihr die ganze Erde fern;

Ein Todesschauer bleichte ihre Wangen

Und fast verglimmte ihres Auges Stern,

Denn, wer nicht würdig ißt und trinkt, so spricht

Gott selbst, der ißt und trinkt sich das Gericht.[200]


Und dennoch hat sie heut' sich mir ergeben,

Wo jegliche Empfindung ihr's verbot;

Sie wagte einmal, ihren Blick zu heben,

Da sah sie mich und wurde wieder roth;

Nun nahte sie sich dem Altar mit Beben

Und nahm nur noch mit Angst das heil'ge Brot,

Und als sie auch verschüttete den Wein,

Da jauchzte ich: sie ist auf ewig mein!


Quelle:
Friedrich Hebbel: Sämtliche Werke. 1. Abteilung: Werke, Berlin [1911 ff], S. 200-201.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Gedichte (Ausgabe letzter Hand)
Gedichte
Werke, 5 Bde., Bd.3, Gedichte, Erzählungen, Schriften
Die schönsten Liebesgedichte (insel taschenbuch)
Gedichte
Gedichte