Der Jänner

[133] Im Ätti sezt der Öldampf zu.

Mer chönnte 's Ämpeli use tue,

und d'Läden uf. Der Morgeschi

blickt scho zum runde Nastloch i. –

O lueget doch, wie chalt und rot

der Jänner uf de Berge stoht!

Er seit: »I bi ne bliebte Ma,

der Stern am Himmel lacht mi a!

Er glitzeret vor Lust und Freud,

und mueß er furt, sen isch's em leid;

er luegt mi a, und cha's nit lo,

und würd bizite wieder cho.

Und untermer in Berg und Tal,

wie flimmeret's nit überal!

An allen Ende Schnee und Schnee;

's isch alles mir zu Ehre gscheh,

und woni gang im wite Feld,

sin Stroße bahnt, und Brücke gstellt.«

Er seit: »I bi ne frische Ma,

i ha ne luftig Tschöpli a,

und roti Backe bis ans Ohr,

e heiter Aug und Duft im Hoor,

ke Wintergfrist, ke Gliederweh,

und woni gang, se chracht der Schnee.«[133]

Er seit: »I bi ne gschickte Ma,

lueg, wieni überzuckere cha!

I chuuch, und an de Hürste hangt's,

und an de zarte Birche schwankt's.

Der Zuckerbeck mit gschickter Hand,

mit Geld und Gut wär's nit im Stand.

Jez lueg au dini Schiben a,

und wieni Helgli chritzle cha!

Do hesch e Blüemli, wenn's der gfallt,

do hesch e ganze Tannewald!

Der Früehlig chönnt's nit halber so,

's isch mit der Farb nit alles to.«

Er seit: »I bi ne starche Ma,

und zwing mi näumer, wenn er cha!

Der Forster gstablet uf der Jacht,

der Brunntrog springt, der Eichbaum chracht.

D'Frau Sunne mittem Gsichtli rund

het's Herz nit, aß sie füre chunnt.«

's isch wohr, me weiß nit, was sie tribt.

und wo sie alli Morge blibt.

Wie länger Nacht, wie spöter Tag,

wie besser aß sie schlofe mag,

und blieb es bis um Zehni Nacht,

se chäm sie erst, wenn's Ölfi schlacht.

Nei, het sie's ghört? Dört chunnt sie jo!

Me meint, 's brenn alles liechterloh!

Sie stoht im chalte Morgeluft,

sie schwimmt im rote Nebelduft.

Zeig, chuuch e wenig d'Schiben a,

's isch, aß me besser luege cha!

Der Nebel woget uf und ab,

und d'Sunne chämpft, sie loßt nit ab.

Jez het sie's gunne. Wit und breit

strahlt ihri Pracht und Herrlichkeit.

O lueg, wie 's über d'Dächer wahlt,

am Chilchefenster, lueg, wie's strahlt![134]

Der Jänner sezt si Arm in d'Huft,

er ruckt am Hut, und schnellt in d'Luft.

Der Jänner seit: »I förch di nit.

Chumm, wenn de mit mer baschge witt!

Was gilt's, de würsch bizite goh,

und rüehmsch dim Büebli nüt dervo!«

Je, 's wär wohl hübsch und liebli so,

im warme Stübli gfallt's eim scho.

Doch mengi Frau, daß Gott erbarm,

sie nimmt ihr nackig Chind in d'Arm,

sie het em nüt um d'Gliedli z'tue,

und wicklet's mittem Fürtuech zue.

Sie het kei Holz, und het kei Brot,

sie sizt und chlagt's im liebe Gott.

Gfriert Stei und Bei, wohl taut der Schmerz

no Tränen uf im Muetterherz.

Der Jänner isch e ruuche Ma,

er nimmt si nüt um d'Armet a.

Gang, bring der arme Fischer-Lis

e Säckli Mehl, e Hemdli wiß,

nimm au ne Wellen oder zwo,

und sag, sie soll au zuenis cho,

und Weihe hole, wenni bach,

und decket jez der Tisch alsgmach.

Quelle:
Johann Peter Hebel: Gesamtausgabe, Band 3, Karlsruhe 1972, S. 133-135.
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