Der Sommerabend

[85] O, lueg doch, wie isch d'Sunn so müed,

lueg, wie sie d'Heimet abezieht!

O lueg, wie Strahl um Strahl verglimmt,

und wie sie 's Fazenetli nimmt,

e Wülkli, blau mit rot vermüscht,

und wie sie an der Stirne wüscht.

's isch wohr, sie het au übel Zit,

im Summer gar, der Weg isch wit,

und Arbet findt sie überal

in Hus und Feld, in Berg und Tal.

's will alles Liecht und Wärmi ha,

und spricht sie um e Segen a.

Meng Blümli het sie usstaffiert,

und mit scharmante Farbe ziert,

und mengem Immli z'trinke ge,

und gseit: »Hesch gnug und witt no meh?«

Und 's Chäferli het hinteno

doch au si Tröpfli übercho.

Meng Somechöpfli het sie gsprengt,

und 's zitig Sömli use glengt.

Hen d'Vögel nit bis z'allerlezt

e Bettles gha, und d'Schnäbel gwezt?

Und kein goht hungerig ins Bett,

wo nit si Teil im Chröpfli het.

Und wo am Baum e Chriesi lacht,

se het sie'm roti Bäckli gmacht;

und wo im Feld en Ähri schwankt,

und wo am Pfohl e Rebe rankt,

se het sie eben abe glengt,

und het's mit Laub und Bluest umhengt.

Und uf der Bleichi het sie gschafft,

hütie und ie us aller Chraft.

Der Bleicher het si selber gfreut,

doch hätt' er nit Vergelt's Gott! gseit.

Und het e Frau ne Wöschli gha,

se het sie trochnet druf und dra.[86]

's isch weger wohr, und überal,

wo d'Sägesen im ganze Tal

dur Gras und Halme gangen isch,

se het sie gheuet froh und frisch.

Es isch e Sach, bi miner Treu,

am Morge Gras und z'obe Heu!

Drum isch sie jez so sölli müed,

und brucht zum Schlof kei Obelied;

ke Wunder, wenn sie schnuuft und schwitzt.

Lueg, wie sie dört uf's Bergli sizt!

Jez lächlet sie zum letztemol.

Jez seit sie: »Schlofet alli wohl!«

Und dunten isch sie! Bhüt di Gott!

Der Guhl, wo uffem Chilchturn stoht,

het no nit gnug, er bschaut sie no.

Du Wunderfitz, was gaffsch denn so?

Was gilt's, sie tut der bald derfür,

und zieht e roten Umhang für!

Sie duuret ein, die guti Frau,

sie het ihr redli Huschrütz au.

Sie lebt gwiß mittem Ma nit gut,

und chunnt sie heim, nimmt er si Hut;

und was i sag, jez chunnt er bald,

dört sizt er schon im Fohrewald.

Er macht so lang, was tribt er echt?

Me meint schier gar, er traut nit recht.

Chumm numme, sie isch nümme do,

's wird alles si, se schloft sie scho.

Jez stoht er uf, er luegt ins Tal,

und 's Möhnli grüeßt en überal.

Denkwol, mer göhn jez au ins Bett,

und wer kei Dorn im Gwisse het,

der brucht zum Schlofen au kei Lied;

me wird vom Schaffe selber müed;

und öbbe hemmer Schöchli gmacht,

drum gebis Gott e gute Nacht!

Quelle:
Johann Peter Hebel: Gesamtausgabe, Band 3, Karlsruhe 1972, S. 85-87.
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