Die Überraschung im Garten

[164] »Wer sprüzt mer alli Früeih mi Rosmeri?

Es cha doch nit der Tau vom Himmel si;

sust hätt der Mangeld au si Sach,

er stoht doch au nit unterm Dach.

Wer sprüzt mer alle Früeih mi Rosmeri?

Und wenn i no so früeih ins Gärtli spring,

und unterwegs mi Morgeliedli sing,

isch näumis gschafft. Wie stöhn jez reihewis

die Erbse wieder do am schlanke Ris

in ihrem Bluest! I chumm nit us dem Ding.

Was gilt's, es sin die Jumpferen usem See!

Me meint zwar, 's chöm, wie lang scho, keini meh.

Sust sin sie in der Mitternacht,

wenn niemes meh as d'Sterne wacht,

in d'Felder use gwandelt usem See.[164]

Sie hen im Feld, sie hen mit frummer Hand

de brave Lüte gschafft im Garteland,

und isch me früeih im Morgeschimmer cho,

und het jez wellen an si Arbet go,

isch alles fertig gsi – und wie scharmant!

Du Schalk dört hinte, meinsch i seh di nit?

Jo, duck di numme nieder, wie de witt!

I ha mer's vorgstellt, du würsch's si.

Was falleder für Jesten i? –

O lueg, vertritt mer mini Sezlig nit!« –

»O Kätterli, de hesch's nit solle seh!

Jo, dine Blume hani z'trinke ge,

und wenn de wotsch, i gieng für di dur's Füür

und um mi Lebe wär mer dis nit z'tüür

und 's isch mer, o gar sölli wohl und weh.«

So het zum Kätterli der Friedli gseit;

er het e schweri Lieb im Herze treit,

und het's nit chönne sage just,

und es het au in siner Brust

e schüüchi zarti Lieb zum Friedli treit.

»Lueg, Friedli, mini schöne Blüemli a!

's sin nummen alli schöne Farbe dra.

Lueg, wie eis gegen em andere lacht

in siner holde Früehligstracht,

und do sitzt scho ne flißig Immli dra.« –

»Was helfe mer die Blüemli blau und wiß?

O Kätterli, was hilft mer's Immlis Fliß?

Wärsch du mer hold, i wär im tiefste Schacht,

i wär mit dir, wo au kei Blüemli lacht

und wo kei Immli summst, im Paradies.«

Und drüber hebt si d'Sunne still in d'Höh,

und luegt in d'Welt, und seit: »Was muß i seh

in aller Früeih?« – Der Friedli schlingt si Arm

um's Kätterli, und 's wird em wohl und warm.

Druf het em 's Kätterli e Schmützli ge.

Quelle:
Johann Peter Hebel: Gesamtausgabe, Band 3, Karlsruhe 1972, S. 164-165.
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