Die Flucht

[191] Es chunnt e Burst mit blutigem Rock

mit sölligem Schnufe und Schwitze

ins Wirtshus z'laufe zum goldene Bock,

wo preußische Werber sitze:

»Her Werber, Her Werber, o rettet mi gschwind;

verstoche hani mis Vaters Chind,

mi Schätzli, das hani verstoche.«

»Und wenn du dein Schätzlein verstochen hast,

ist alle sein Leiden vollendet.«

»Her Werber, das bringt mer kei Ruh und kei Rast,

im Böse bini verpfändet.

I gehr jo kei Handgeld, o rettet mi gschwind,

's chunnt hinter mer z'laufe wie Wetter und Wind,

furt über Bahnstei und Gränze.

I ger ke Handgeld, Euch gib i no

vier Taler, wenn der mi rettet.

O chömmet, o chömmet enanderno,

sust isch mi Lebe verwettet.«

Der Werber gürtet si Sebel a,

druf henkt er si Rauchtubaksblotere dra

und ladet sini Pistole.[191]

Sie wandlen uf unvertrauter Bahn

's Land ab und alliwil abe.

Sie luegen enander bald freudig a:

»Jez wäre mer überem Grabe.«

Dört stoht der Bahnstei im grasige Feld,

der Bursch lengt in d'Täschen und chnüslet im Geld:

»Her Werber, vier bairische Taler.«

Quelle:
Johann Peter Hebel: Gesamtausgabe, Band 3, Karlsruhe 1972, S. 191-192.
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Vermischte Gedichte und aus dem Nachlaß
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