Der listige Steiermarker

[226] In Steiermark, ein wenig abhanden von der Straße, dachte ein reicher Bauer im letzten Krieg: Wie fang ich's an, daß ich meine Kronentaler und meine Dukätlein rette in dieser bösen Zeit? Die Kaiserin Maria Theresia ist mir noch so lieb, tröst sie Gott, und der Kaiser Joseph, tröst ihn Gott, und[226] der Kaiser Franz, Gott schenk ihm Leben und Gesundheit. Und wenn man meint, man habe die lieben Herrschaften noch so gut verborgen und geflüchtet, so riecht sie der Feind, sobald er die Nase ins Dorf streckt, und führt sie in die Gefangenschaft ins Lothringen oder in die Champagne; daß einem armen Untertanen das Herz dabei bluten möchte vor Patriotismus. »Jetzt weiß ich«, sagt er, »wie ich's anfange«, und trug das Geld bei dunkler blinder Nacht in den Krautgarten. »Das Siebengestirn verratet mich nicht«, sagte er. Im Krautgarten legte er das Geld geradezu zwischen die Gelveieleinstöcke und die spanischen Wicken. Nebendran grub er ein Loch in das Weglein zwischen den Beeten, und warf allen Grund daraus auf das Geld, und zertrat ringsherum die schönen Blumenstöcke und das Mangoldkraut, wie einer, der Sauerkraut einstampft. Am Montag drauf streiften schon die Chasseurs im ganzen Revier, und am Donnerstag kam eine Partie ins Dorf frisch auf die Mühle zu, und aus der Mühle mit weißen Ellenbogen zu unserm Bauern: und »Geld her, Buur«, rief ihm ein Sundgauer mit blankem Säbel entgegen, »oder bet dein letztes Vaterunser.« Der Bauer sagte: sie möchten nehmen, was sie in Gottes Namen noch finden. Er habe nichts mehr, es sei gestern und vorgestern schon alles in die Rapuse gegangen. »Vor euch kann man etwas verbergen«, sagt er, »ihr seid die Rechten.« Als sie nichts fanden, außer ein paar Kupferkreuzer und einen vergoldeten Sechser mit dem Bildnis der Kaiserin Maria Theresia und ein Ringlein dran zum Anhängen, »Buur«, sagte der Sundgauer, »du hast dein Geld verlochet, auf der Stelle zeig, wo du dein Geld verlocht hast, oder du gehst ohne dein letztes Vaterunser aus der Welt.« »Auf der Stelle kann ich's Euch nicht zeigen«, sagte der Bauer, »so sauer mich der Gang ankommt, sondern Ihr müßt mit mir in den Krautgarten gehn. Dort will ich Euch zeigen, wo ich es verborgen hatte, und wie es mir ergangen ist. Der Herr Feind ist schon gestern und vorgestern da gewesen, und haben's gefunden und alles geholt.« Die Chasseure nahmen den Augenschein im Garten ein, fanden alles, wie es der Mann angegeben hatte, und keiner dachte daran, daß das Geld unter dem Grundhaufen liegt, sondern jeder schaute in das leere[227] Loch, und dachte: Wär ich nur früher gekommen. »Und hätten sie nur die schönen Gelveieleinstöcke und den Goldlack nicht so verderbt«, sagte der Bauer, und so hinterging er diese und alle, die noch nachkamen, und hat auf diese Art das ganze erzherzogliche Haus, den Kaiser Franz, den Kaiser Joseph, die Kaiserin Maria Theresia, und den allerhöchstseligen Herrn Leopold den Ersten, gerettet, und glücklich im Land behalten.

[1811]

Quelle:
Johann Peter Hebel: Poetische Werke. München 1961, S. 226-228.
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