Was in einer großen Stadt draufgeht

[152] Eine große Stadt hat einen großen Magen, und braucht im Winter einen großen Ofen. In Wien aber sind in einem Jahr vom 1. November 1806 bis dahin 1807 geschlachtet und verspeist worden: 66 795 Ochsen, 2 133 Kühe, 75 092 Kälber, 47 000 Schafe, 120 000 Lämmer, 71 800 Schweine.

Viel Fleisch kostet viel Brot. Daher wurden verbraucht: 487 000 Zentner Weißmehl, 408 000 Zentner gemein Mehl.

Zu einem guten Bissen gehört ein guter Trunk. Also ist getrunken worden 522 400 Maß Wein, 674 000 Maß Bier.

Etwas Gutes ißt und trinkt man gern in einer warmen Stube. Sind verbrannt worden, 281 000 Klafter Holz, und 156 000 Meß Steinkohlen.

So viel kann draufgehen in einer Stadt. Und wird doch noch hie und da einer hungrig ins Bett gegangen, und an manchem Fenster Eiszäpflein gehangen sein.

Und an manchem vollen Tisch ist einer gesessen, und hat nicht essen mögen vor Betrübnis; und in manchen Becher voll köstlichen Ungarweins ist auch eine Träne gefallen.

[1809][152]

Quelle:
Johann Peter Hebel: Poetische Werke. München 1961, S. 152-153.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Schatzkästlein des rheinischen Hausfreundes
Schatzkästlein des rheinischen Hausfreundes.
Schatzkästlein des rheinischen Hausfreundes. Nachdruck der Ausgabe von 1811 sowie sämtliche Kalendergeschichten aus dem 'Rheinländischen Hausfreund' der Jahre 1808 - 1819
Schatzkästlein des rheinischen Hausfreundes (Fischer Klassik)
Schatzkästlein des rheinischen Hausfreundes
Schatzkästlein des Rheinischen Hausfreundes. Ein Werk in seiner Zeit