7.

Der Tambourmajor

[323] Das ist der alte Tambourmajor,

Wie ist er jetzt herunter!

Zur Kaiserzeit stand er in Flor,

Da war er glücklich und munter.


Er balancierte den großen Stock,

Mit lachendem Gesichte;

Die silbernen Tressen auf seinem Rock,

Die glänzten im Sonnenlichte.


Wenn er mit Trommelwirbelschall

Einzog in Städten und Städtchen,[323]

Da schlug das Herz im Widerhall

Den Weibern und den Mädchen.


Er kam und sah und siegte leicht

Wohl über alle Schönen;

Sein schwarzer Schnurrbart wurde feucht

Von deutschen Frauentränen.


Wir mußten es dulden! In jedem Land,

Wo die fremden Eroberer kamen,

Der Kaiser die Herren überwand,

Der Tambourmajor die Damen.


Wir haben lange getragen das Leid,

Geduldig wie deutsche Eichen,

Bis endlich die hohe Obrigkeit

Uns gab das Befreiungszeichen.


Wie in der Kampfbahn der Auerochs

Erhuben wir unsere Hörner,

Entledigten uns des fränkischen Jochs

Und sangen die Lieder von Körner.


Entsetzliche Verse! sie klangen ins Ohr

Gar schauderhaft den Tyrannen!

Der Kaiser und der Tambourmajor,

Sie flohen erschrocken von dannen.


Sie ernteten beide den Sündenlohn

Und nahmen ein schlechtes Ende.

Es fiel der Kaiser Napoleon

Den Briten in die Hände.


Wohl auf der Insel Sankt Helena,

Sie marterten ihn gar schändlich;

Am Magenkrebse starb er da

Nach langen Leiden endlich.
[324]

Der Tambourmajor, er ward entsetzt

Gleichfalls von seiner Stelle.

Um nicht zu verhungern, dient er jetzt

Als Hausknecht in unserm Hotele.


Er heizt den Ofen, er fegt den Topf,

Muß Holz und Wasser schleppen.

Mit seinem wackelnd greisen Kopf

Keucht er herauf die Treppen.


Wenn mich der Fritz besucht, so kann

Er nicht den Spaß sich versagen,

Den drollig schlotternd langen Mann

Zu nergeln und zu plagen.


»Laß ab mit Spöttelei'n, o Fritz!

Es ziemt Germanias Söhnen

Wohl nimmermehr, mit schlechtem Witz

Gefallene Größe zu höhnen.


Du solltest mit Pietät, mich deucht,

Behandeln solche Leute;

Der Alte ist dein Vater vielleicht

Von mütterlicher Seite.«


Quelle:
Heinrich Heine: Werke und Briefe in zehn Bänden. Band 1, Berlin und Weimar 21972, S. 323-325.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Neue Gedichte
Neue Gedichte
Sämtliche Werke. Historisch-kritische Gesamtausgabe der Werke. Düsseldorfer Ausgabe / Neue Gedichte
Neue Melodien spiel ich: Gedichte (Insel Bücherei)
Neue Gedichte: Deutschland. Ein Wintermärchen. Atta Troll (insel taschenbuch)
Neue Gedichte

Buchempfehlung

Prévost d'Exiles, Antoine-François

Manon Lescaut

Manon Lescaut

Der junge Chevalier des Grieux schlägt die vom Vater eingefädelte Karriere als Malteserritter aus und flüchtet mit Manon Lescaut, deren Eltern sie in ein Kloster verbannt hatten, kurzerhand nach Paris. Das junge Paar lebt von Luft und Liebe bis Manon Gefallen an einem anderen findet. Grieux kehrt reumütig in die Obhut seiner Eltern zurück und nimmt das Studium der Theologie auf. Bis er Manon wiedertrifft, ihr verzeiht, und erneut mit ihr durchbrennt. Geldsorgen und Manons Lebenswandel lassen Grieux zum Falschspieler werden, er wird verhaftet, Manon wieder untreu. Schließlich landen beide in Amerika und bauen sich ein neues Leben auf. Bis Manon... »Liebe! Liebe! wirst du es denn nie lernen, mit der Vernunft zusammenzugehen?« schüttelt der Polizist den Kopf, als er Grieux festnimmt und beschreibt damit das zentrale Motiv des berühmten Romans von Antoine François Prévost d'Exiles.

142 Seiten, 8.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Große Erzählungen der Frühromantik

Große Erzählungen der Frühromantik

1799 schreibt Novalis seinen Heinrich von Ofterdingen und schafft mit der blauen Blume, nach der der Jüngling sich sehnt, das Symbol einer der wirkungsmächtigsten Epochen unseres Kulturkreises. Ricarda Huch wird dazu viel später bemerken: »Die blaue Blume ist aber das, was jeder sucht, ohne es selbst zu wissen, nenne man es nun Gott, Ewigkeit oder Liebe.« Diese und fünf weitere große Erzählungen der Frühromantik hat Michael Holzinger für diese Leseausgabe ausgewählt.

396 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon