9.

Heinrich

[326] Auf dem Schloßhof zu Canossa

Steht der deutsche Kaiser Heinrich,

Barfuß und im Büßerhemde,

Und die Nacht ist kalt und regnicht.


Droben aus dem Fenster lugen

Zwo Gestalten, und der Mondschein

Überflimmert Gregors Kahlkopf

Und die Brüste der Mathildis.


Heinrich, mit den blassen Lippen,

Murmelt fromme Paternoster;

Doch im tiefen Kaiserherzen

Heimlich knirscht er, heimlich spricht er:
[326]

»Fern in meinen deutschen Landen

Heben sich die starken Berge,

Und im stillen Bergesschachte

Wächst das Eisen für die Streitaxt.


Fern in meinen deutschen Landen

Heben sich die Eichenwälder,

Und im Stamm der höchsten Eiche

Wächst der Holzstiel für die Streitaxt.


Du, mein liebes treues Deutschland,

Du wirst auch den Mann gebären,

Der die Schlange meiner Qualen

Niederschmettert mit der Streitaxt.«


Quelle:
Heinrich Heine: Werke und Briefe in zehn Bänden. Band 1, Berlin und Weimar 21972, S. 326-327.
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