1.

Maultiertum

[309] Dein Vater, wie ein jeder weiß,

Ein Esel leider war der Gute;

Doch deine Mutter, hochgesinnt,

War eine edle Vollblutstute.


Tatsache ist dein Maultiertum,

Wie sehr du dessen dich erwehrest;

Doch sagen darfst du guten Fugs,

Daß du den Pferden angehörest –


Daß du abstammst vom Bucephal,

Dem stolzen Gaul, daß deine Ahnen

Geharnischt nach dem Heil'gen Grab

Gefolgt den frommen Kreuzzugfahnen –


Daß du zu deiner Sippschaft zählst

Den hohen Schimmel, den geritten

Herr Gottfried von Bouillon, am Tag,

Wo er die Gottesstatt erstritten; –


Kannst sagen auch, daß Roß-Bayard

Dein Vetter war, daß deine Tante

Den Ritter Don Quixote trug,

Die heldenmüt'ge Rosinante.


Freilich, daß Sanchos Grauchen auch

Mit dir verwandt, mußt du nicht sagen;[309]

Verleugne gar das Eselein,

Das unsern Heiland einst getragen.


Auch ist nicht nötig, daß du just

Ein Langohr in dein Wappen setzest.

Sei deines eignen Werts Wardein –

Du giltst so hoch, wie du dich schätzest.


Quelle:
Heinrich Heine: Werke und Briefe in zehn Bänden. Band 1, Berlin und Weimar 21972, S. 309-310.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Neue Gedichte
Neue Gedichte
Sämtliche Werke. Historisch-kritische Gesamtausgabe der Werke. Düsseldorfer Ausgabe / Neue Gedichte
Neue Melodien spiel ich: Gedichte (Insel Bücherei)
Neue Gedichte: Deutschland. Ein Wintermärchen. Atta Troll (insel taschenbuch)
Neue Gedichte