3.

Hoffart

[312] O Gräfin Gudel von Gudelfeld,

Dir huldigt die Menschheit, denn du hast Geld!

Du wirst mit vieren kutschieren,

Man wird dich bei Hof präsentieren.

Es trägt dich die goldne Karosse

Zum kerzenschimmernden Schlosse;

Es rauschet deine Schleppe

Hinauf die Marmortreppe;

Dort oben, in bunten Reihen,

Da stehen die Diener und schreien:

»Madame la comtesse de Gudelfeld.«
[312]

Stolz, in der Hand den Fächer,

Wandelst du durch die Gemächer.

Belastet mit Diamanten

Und Perlen und Brüsseler Kanten,

Dein weißer Busen schwellet

Und freudig überquellet.

Das ist ein Lächeln und Nicken

Und Knicksen und tiefes Bücken!

Die Herzogin von Pavia,

Die nennt dich: »Cara mia.«

Die Junker und die Schranzen,

Die wollen mit dir tanzen;

Und der Krone witziger Erbe

Ruft laut im Saal: »Süperbe

Schwingt sie den Steiß, die Gudelfeld!«


Doch, Ärmste, hast du einst kein Geld,

Dreht dir den Rücken die ganze Welt.

Es werden die Lakaien

Auf deine Schleppe speien.

Statt Bückling und Scherwenzen

Gibt's nur Impertinenzen.

Die cara mia bekreuzt sich,

Und der Kronprinz ruft und schneuzt sich:

»Nach Knoblauch riecht die Gudelfeld.«


Quelle:
Heinrich Heine: Werke und Briefe in zehn Bänden. Band 1, Berlin und Weimar 21972, S. 312-313.
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