Scena secunda.

[373] Probus aber gehet in den Garten, wie er nun hinein kompt, gehet er ein wenig stilleschweigend auff vnd nieder, darnach ersihet er die Toden, vnd spricht.


PROBUS. Wer sein dann die, so da ligen? Mein Hertz ist mir so schweer, Mir ist so angst, das ich nicht weis, wie mir ist, Ich hoffe jo nimmermehr, Das mein Traum war worden sey, Ich mus hinzu gehen, vnd sehen, wer sie sein, Es sein jhrer Drey, Einer ist ein alte Person, Einer ein Weibs Person, Vnd eines ein Kindt. O wie zittert mir mein Hertz, Wie angst ist mir, Je näher ich schier hinzu komme, je weher mir wirdt. Gehet allenhandt hinzu, darnach spricht er. O hilff Gott, wie gehet das jmmerzu, Das ist mein lieber alter Vater, Fellet jhme vmb das Leib, vnd küsset jhn. O du mein lieber Vater, O du mein lieber Seuere, Bistu nun zu deinem grossen vnglück hier in den Garten schlaffen gangen, Küsset vnd schüttelt jhn, legt jhn dann wider nieder, vnd stehet auf. O behüte Gott, Welch ein vnglück ist das, Ach wie gehet doch das jmmerzu. Ach ich wolte, das ich nun todt were. Weinet, darnach gehet er furder, sihet seinen Son ligen, vnd spricht. Innocens, ligstu auch hier? O mein lieber Son, bistu auch todt? Nimbt jhn auf die arme, schüttelt jhn, trägt jn herumb, vermeinet jhn wider zuermuntern. O du armes vnschuldiges Kind, Wer ist doch so kühn gewesen, Das er vber sein Hertz hat bringen können, dir armen vnschüldigen Kinde, Der du niemand jemals hast leid gethan, Sein leben zunhemen. Küsset jhne. O du mein lieber Sohn, Ach du armes vnschüldiges Kind, Ich hette verhoffet, Frewde an dir zuerleben, Aber nun ists alles vmbsonst. Dann ich vermeinte Du hettest mir in meinem Alter sollen zu trost vnd labsal kommen, Mus ich leider, Gott erbarme es, dich hie in deinem vnschüldigen Blut todt finden. O wehe mir, Vnd ob ich wol an dem betrübniss gnug habe, das ich derogestalt dich finden mus, So werden doch vber diß meine schmertzen vermehret, Das ich nicht wissen mus, Wie du vmb dein leben gekommen bist. Legt jhn wider[373] nieder, vnd küsset jhn, Darnach gehet er furder, vnd findet seine Mutter. O liebe Mutter, liget jhr auch dar. Küsset sie. Ach, Ach, Habe ich so alt diesen tag zuerleben, werden müssen, Ach, Was sol ich doch nun machen? Wem sol ich meine noth klagen? Bey wem sol ich hülff vnd rath suchen? Wem sol ichs zumessen, der diese grewliche Mord thaten begangen habe. Küsset die Mutter. O mein liebe Mutter, Wolte Gott, Ihr hettet mich zur Welt nicht geboren, Damit ich diß vnglück nicht erleben dürffen. Schweiget ein weile stille, vnd gehet trawrig auff vnd nieder, darnach spricht er. Ach, möchte ich doch nur so glückselig sein, Das derselbige, so diese Mordthat volnbracht, ein solch Hertz möchte haben, vnd mir jetzundt begegnen möchte, vnd mir der qual auch abhülffe, Damit ichs nicht besser haben möchte, als es leider diesen widerfahren ist. O du mein lieber Seuere. O du mein lieber alter vnschüldiger Vater. Küsset jhn. Hastu biß an jtzo so ein stadtlich Alter erreichet, vnd in gutem friede vnd ruhe gelebet, Keine Krankheit vnnd vngelegenheit dein lebtag nicht entfunden, vnd must so kleglich, erbarmlich vnd vnuermuthlich vmbkommen. Ach lieber Vater, Ach lieber Seuere. Küsset jhn. Was mag es doch vor ein vnuerschemet Hertz vnd gemüth gewesen sein, Das sich nicht geschemet, An ein solch alt graw Haupt seine Hände zulegen, Was fur ein kühne that hat er doch an einem alten schlaffenden Mann verrichten können? Das er den vmbs leben gebracht. Stehet auff, vnd gehet zu seinem Sohn, küsset jhnen, vnd stehet wieder auff. O du armer Innocens. Der du mit Nahmen vnnd That billich Innocens genennet wirst, Dann weme hastu etwas jemals zuwieder vnd zuleide gethan? Wen hastu mit Worten vnnd gebeerden erzürnet? Weme hastu vrsach gegeben, sich vber dich so zuerzürnen? Das er auch seinen Zorn nicht hette anderst brechen können, Ehe dann zuuorn er dir dein Junges herblühendes leben nhemen, Vnd dein armes vnschuldiges Blut vergiessen müssen. O du armer Innocens, Ach du mein lieber vnschüldiger Son. Küsset jhn. Was mus der doch ein vnbarmhertzig gemüth gehabt haben, Der seine Handt an dich vnschuldiges Kind gelegt hat, Kein Leuwe, Kein Hundt solt es gethan haben, Dann die hetten sich viel zu großmühtig darzu geachtet, dasselbe, so sich nicht wehren kan, anzugreiffen, Ein vnuernünfftigs Thier, Ein Schwein, Ein Henne streitet fur seine Jungen, Vnd lesst sich ehe selber vmbs leben bringen, ehe das es zulesst, das jren Jungen etwas widerfahren müsse, Aber ein solch Gemüth hat dieser[374] Mörder nicht gehabt. Wolte Gott, er hette an stadt seines Hertzen vnd Gemühts eines solchen vernünfftigen Thiers gemüth vnd Hertz, wie ich erzelet habe, gehabt. So würde er seine Hände an dich, meinen lieben Son, nicht gelegt haben. O liebe Mutter, O liebe Mutter, Mus ich euch hie so sehen, Nicht als einen Menschen, Sondern wie ein Schwein oder Ochsen, (Den man auch den Hals pfleget abzustechen) Todt ligen sehen. Was ein Manhaft gemüth mus der gehabt haben, Der seine kühnheit an euch, als einer Weibs Person, die keine gegenwehr thun können beweisen müssen, Stehet wider auff, gehet auff vnd nieder, spricht entlich. Aber was hilffts, das ich hier so gehe, vnd mein Hertz vollends bekümmere, Weil ich nicht wissen kan, vnd weis, Wer dieser that schüldig ist. O wolte Gott, das ich so glückselig were, Das ich mich an jhme rechen köndte. Aber was were es dann auch mehr, Was köndte ich jhme thun? Ich köndte jhme nicht mehr als das leben nhemen, Vnd würde dadurch gleichwol das arme vnschuldige vergossen Blut nicht erretten, noch desselben wieder teilhafftig werden. Schweiget ein weil stille. Rufft mit lauter Stimme. O Gott, Weil ich mich dann nicht zurechnen weis, So wil ich dich, als einen gerechten Gott Der solche that zustraffen nicht vnterlassen wirt, zum hülffen vnd Executorn dieser that angeruffen, vnd dich deines gerechten Zorns vnd drewung vber solche vnthat erinnert haben, Du, Du, als ein Gerechter, Du, als ein Eiferiger, Du, als ein Zorniger, Du als ein warhafftiger Gott, In des Munde kein lügen ist, Du wollest diese that rechen, vnd gebührlich straffen, Vindictam tibi trado, quoniam es justus Domine, et justa sunt tua judicia.


Quelle:
Herzog Heinrich Julius von Braunschweig: Die Schauspiele. Stuttgart 1855, S. 373-375.
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