Scena secunda.

[385] PROBUS krawet die Haar, stellet sich gar betrüblich, vnd seufftzet tieffe. Kan auch ein elender Mensch leben als ich? Ist auch jemals ein Mensch geboren, dem auff ein mal, vnd so kurtz nach einander, so viel vnd mancherley vnglück widerfahren? Ich bin meines lieben Vaters beraubt, Ich habe meine Mutter, so mich zur Welt getragen, verloren, Mein Son, so ich mit meiner lieben Gemahlin erzeuget, ist mir vmbkommen, Mein liebes Weib ist mit der Frucht, da ich nicht anderst gehoffet, sie solte mich wieder erfrewen, plötzlichen, vnd vnuersehenlicher weise geblieben. Schweiget ein weil stille. Ists müglich, das einem ein grösser Creutz köndte auff erlegt werden, als ich jetzundt tragen mus. Schweiget abermal ein wenig. Alle die, so ich jetzundt erzelet, habe ich plötzlich vnd vnuersehens auch also verloren, Das ich nicht wissen kan, Wie sie doch mögen vmbkommen sein. Ach möchte ich nur bey jhnen sein, So dürffte ich die grosse qual, marter vnd angst in meinem Hertzen, so ich jetzundt darinn befinde, nicht ausstehen. Gehet stilleschweigend auff vnd nieder, seufftzet vnd krawet die Haar, Inmittelst kompt sein Bruder Nero zu jhm.


Quelle:
Herzog Heinrich Julius von Braunschweig: Die Schauspiele. Stuttgart 1855, S. 385.
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