Bekenntnis

[75] »Ich möchte lieber hochmütig als niederträchtig sein, und ich erinnere mich des Ausspruches von Kant: Der Mensch kann nicht groß genug vom Menschen denken.«

Karl Ernst von Bär


Mein Auge leuchtet durch die Zeiten

Den Denkern, die das All gebar,

Zu hohen Zielen seh ich schreiten

Den Zug der Geistesheldenschar.


Die Losung hör' ich vorwärts klingen

Vom Fähnlein, das dem Blick entflieht,

Auf ätherzarten Sonnenschwingen

Zum Banner, das vorüberzieht.


Die heiligen Melodieen rauschen,

Ein Hochzeitsmarsch der Weltidee,

Den Lichtposaunen muß ich lauschen,

Bis ich des Spieles Sinn versteh.


Wer ahnt, wie sich der Mensch enthoben

Dem Mutterschoß der Gottnatur?

Wir sind aus Urweltglut gewoben

Und sausen auf der Sonne Spur.
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Aus Dumpfheit schwang zu Dichterstirnen

Empor sich schöpferische Glut,

Kühn ragen der Gedanken Firnen,

Getürmt wie von Titanenmut.


Den Schacht der Wahrheit zu erschließen,

Ward edler Forscher Lust und Pflicht,

Aus der Erkenntnis Gründen sprießen

Der Freiheit Segnungen zum Licht.


Was tiefer Sehersinn ersonnen,

Die Nachwelt ruft den Traum zur Tat,

Und was der Genius gewonnen,

Weit wird es ausgestreut als Saat.


Das Niedre welkt. Voll blüht zum Schönen,

Was häßlich und gemein noch ringt,

Den Dom der Zukunft hör' ich tönen

Von Psalmen, die die Menschheit singt.

Quelle:
Karl Henckell: Gesammelte Werke. Band 2: Buch des Kampfes, München 1921, S. 75-77.
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