Freiheits-Gesang

[326] Wir sind erwacht, wir sind befreit

Von Todesnacht und -Qualen.

Vorbei, vorbei die grause Zeit!

Die Morgengipfel strahlen.

Der Freiheit Sonne steigt empor,

Wir ziehn ihr kühn entgegen,

Weit offen winkt des Lebens Tor,

Aus Fluch, aus Fluch bricht Segen.


Wir schreiten froh den Pfad des Lichts,

Wir künden heilige Rechte,

Die Burg der Macht zerfiel zu nichts,

Die trotzig sich erfrechte.

Gestürzt das Bollwerk der Gewalt,

Ihr hohler Wahn zerstoben!

Des Volkes neue Losung schallt,

Zum Schwur, zum Schwur erhoben:
[327]

Ans Werk! Ans Werk! Wir wollen baun.

Es glüht die Not nach Taten.

Schon wächst, schon wächst das Weltvertraun –

Wer wird sich selbst verraten?!

Der edlen Geister Sehnsuchtsschrei

Soll uns mit Macht durchbrausen:

Komm, Friede, komm! Durch Schaffen frei!

Erlöst, erlöst vom Grausen!

Quelle:
Karl Henckell: Gesammelte Werke. Band 2: Buch des Kampfes, München 1921, S. 326-328.
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