Sturm

[243] Lang schon lag auf der Lauer,

Leise sausend,

Heimlicher Sturm.

Plötzlich näher und näher brausend

Überfällt er die Welt.

Frühlingsschauer

Bringt er dem atemschöpfenden Land.


Sturm!


Was in verzehrender

Sehnsucht harrte,

Schier begraben in schweigender Qual,

Was die luftspiegelnde

Hoffnung narrte,

Mit einem Mal

Hebt es die Häupter.


Und aus der lähmenden Stille

Endlich gebrochenem Bann

Schwillt des Lebens erlösender Wille

Wieder höher

Und höher an.
[244]

Denn nur Hörige dulden gelassen,

Was des Rechtes Würde verhöhnt,

Freiheitliebende Menschen hassen,

Was mit Unbill

Die Unbill krönt.


Seht, ein Sturm

Ist langsam gekommen,

Jetzo bläst er gewaltig ins Horn!

Wer hinhorchte,

Hat längst ihn vernommen –

Städte erschüttert,

Länder reinigt sein herrlicher Zorn.

Quelle:
Karl Henckell: Gesammelte Werke. Band 2: Buch des Kampfes, München 1921, S. 243-245.
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