Te Deum

[102] Glutsommer Siebzig. Spichrer Höhen dampften.

Kanonen heulten. Schwerschwadronen stampften.

Die Leiber zuckten in den Ackergrund,

Entsetzen atmete der Erde Mund.

Blut floß, als sei schon Rotwein-Kelterzeit.

Dumpf Trommelwirbel! Die Trompete schreit.

Und Zug auf Zug, im Opferrausche, stürmt.

Hurra und Vorwärts! Leichen aufgetürmt!

Zehntausend Menschen weniger oder mehr.

Hurra! du preußisches, du tapfres Heer! –

Genommen! Sieg! Der Abend kühlt hernieder

Und küßt mitleidig die erstarrten Glieder.

Halbtote lechzen in die laue Luft,

In ihre Nase wittert Leichenduft.

Die roten Kreuze bahren auf, verbinden

Und hören Sterbeseufzer sich entwinden.

»Mein Weib, mein armes, o mein armes – ah!«

Der Rumpf schlägt hin. Hurra, Germania![103]

Te Deum! Trommeln thronen den Altar.

Die Bibel offen. Feldpropst im Talar.

Die schwachen Bataillone rund rangiert.

»Helm in die Hand!« der Hauptmann kommandiert.

Der Feldpropst räuspert sich: »O, du da droben,

Laß deinen unerforschten Ratschluß loben!

Der heiligen Sache hast du Sieg gewährt

Und deinen Willen wunderbar erklärt.

Wir danken dir, du höchster Herr der Welt,

Daß du des Erbfeinds Höllenplan zerschellt.

Sei fürder mit uns! Segne du den König

Samt Bundesfürsten!« Weiter dann eintönig:

»Laß deine Gnade aufgehn über allen,

Insonderheit für die, so heut gefallen!

Für dich sind sie geboren in den Tod.

Gott, sei uns gnädig! Hilf aus aller Not!« – –

Die Mannschaft singt: »Herr Gott, dich loben wir!«

– »Helm auf!« – Die Leute rücken ins Quartier.


Jenseits im Tale ward zur selben Zeit

Dem Gott Napoleons der Dienst geweiht.

Matt, knielahm stehn sie mit gesunknem Blick

Und denken an ihr trauriges Geschick.

Im stillen ballt und krampft sich manche Faust,

Indes der düstere Choral erbraust.[104]

Le prêtre aber faltet seine Hände:

»Mon Dieu! Gib, daß sich morgen alles wende!

Fleuch du dem kaiserlichen Aar voraus

Und stoß das Geiertier in Nacht und Graus!

Gott segne, segne unser Herrscherhaus!

Ich weiß, du wolltest uns gewiß erst prüfen.

Nun leih uns Sieg! Wir schrein aus Herzenstiefen.«

Mit opferdumpfer Todergebung ziehn

In ihr Gelaß die dünnen Kompanien ...

Quelle:
Karl Henckell: Gesammelte Werke. Band 2: Buch des Kampfes, München 1921, S. 102-105.
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