Trutznachtigall

[134] Mein Lied, das rollt wie Sonnengold,

Dem Purpurstrom des Daseins hold.

Wenn violett erblüht die Nacht,

Flöt' ich zur weiten Sternenwacht.

Gedämpften Echos meld' ich Streit

Und Menschenleid.


Wo scharfes Elend Lust zerstört,

Schmettr' ich und schluchz' ich qualempört.

Weh, wenn mein Auge Not erblickt!

Ich schlage, daß der Busch erschrickt.

Der Schönheit schwillt mein Klang zu Schutz,

Zu Schutz und Trutz.


Wo einer wund von Kampf und Pein,

Trostnachtigall, da tröste fein!

Frisch wie der Tau gen Morgen quillt,

Gib Kraft und Wohllaut stark und mild!

Wirf Wonnen in der Lauscher Schoß,

Schlag schmelzend los!

Quelle:
Karl Henckell: Gesammelte Werke. Band 2: Buch des Kampfes, München 1921, S. 134-135.
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