Aufschrei

An den Wassern bin ich hingegangen,

Feuchter Windhauch letzte meine Wangen.

Meine Seele, die das Licht verlor,

Meine Seele schrie zu Gott empor.

Der im Wolkenkleid am Himmel schreitet,

Der im Sturmhut durch die Lüfte reitet,

Der aus grünen Wipfeln raunend winkt,

Der aus Silberwellen zitternd blinkt,

Der im Grashalm sprießt, als Regen feuchtet,

Der im Blitze schießt, als Sonne leuchtet:

Weltengeist, von dem auch ich ein Teil,

Schütte nieder deiner Gnade Heil!

Ach, ich habe meinen Wert vergessen,

Bin in der Verräter Rat gesessen,

Habe frech dem lichten Gott geflucht

Und betört der Lüge Nacht gesucht!

Blöd und elend wank' ich wirre Pfade,

Wüstenirrend dürst' ich müd nach Gnade,

Meine Seele, die das Licht verlor,

Meine Seele schreit zu Gott empor.

Ohne dich, wie dürr sind meine Glieder!

Weltengeist, ach ströme, ströme nieder!

Quelle:
Karl Henckell: Gesammelte Werke. Band 1: Buch des Lebens, München 1921, S. 1-3.
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