Gewitter

[4] Es wetterleuchtet durch die Nacht,

Die Donner, sie rollen von ferne,

Die Wolken stürmen zur wilden Schlacht,

Und ängstlich verlöschen die Sterne.

Es jagt und wettert und kracht und braust,

Wie wenn in Lüften der Böse haust –

Was schmiegst du dich an mich mit Zittern?

He, holla! Mich freut das Gewittern.


Kennst du das Leben, mein liebes Kind?

Ach nein, du tändelst in Träumen.

Oft stürmt durch das Leben der Wirbelwind

Und reißt an den knorrigsten Bäumen.

Unter Donner und Blitzen, in stürmischer Nacht

Schlägt der Mensch mit dem Schicksal die lustige Schlacht.

Was schmiegst du dich an mich mit Zittern?

He, holla! Mich freut das Gewittern.


Wie brannte die Sonne so heiß und so dumpf!

Die Bäume, sie rangen nach Odem;

Nun flutet es feucht, und der dürrste Stumpf

Saugt ein den köstlichen Brodem.[5]

Wenn träge die Sonne das Leben verbrennt,

Willkommen dann, schlagendes Element!

Laß ab von Zagen und Zittern,

He, holla! Mich freut das Gewittern.

Quelle:
Karl Henckell: Gesammelte Werke. Band 1: Buch des Lebens, München 1921, S. 4-6.
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