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[34] Mit der seidenschwarzen Flügelhaube,
Mit dem offenherzigen Purpurmieder,
Eine adlerhafte Turteltaube,
Singt sie zündende Revanchelieder.
Schluchzend Klagen dringen,
Wie sie wühlend klingen!
Jauchzend wogt's zum Schluß,
Und sie wächst beim Singen,
Wächst zum Rachegenius.
Voll begleitende Akkorde
Wogen noch eine Weile hin ...
Gorgo dräut unversöhnt,
»Bis, bis!« und »Bravo« dröhnt
Der hochstämmigen Elsässerin. –
Keck auf das Podium hüpft, die noch eben[34]
Still memoriert,
Kaum aus dem Kind geschlüpft, aber das Leben
Längst schon probiert;
Die vollendet blühenden Beine
Gibt das flatternde Röckchen frei,
Rezitativisch quiekst die Kleine
Ihre geriebene Pariserei. –
Jetzt die Graziöse wiegt den Kopf
Und lächelt links und rechts
Mit wundervollem, blondem Zopf
Dickmaschigen Geflechts.
Sie trägt ein russisch Rosakleid
Mit schweren Perlenketten,
Ihr Atlasfüßchen weckt den Neid
Der bunten Amoretten.
Der Schalk springt aus den Augen ihr
Und tanzt von Tisch zu Tisch.
Wahrhaftig! Jetzo zwinkt sie mir
Verflucht verführerisch. –
Plump watschelt die fette Ente
Krumm vor das Auditor,
Vermummt die eminente
Zinnobernase vor.
Sie mimt den Vetter Trunkenbold,
Den alten Korporal,
Sein Auge schwimmt, sein Sauflied rollt[35]
Und poltert durch den Saal.
Plötzlich faßt' er die Fahne,
Die rote, mit fester Hand,
Stramm Monsieur Antoine,
Der Impresario, stand.
Schnell rechts die Elegante,
Die Pipipepi links,
Glut auf die Tasten brannte
Die rächerische Sphinx.
Revanche, Revanche bis in die Kniee,
Alarm, Alarm vom Kopfe bis zur Zeh:
»Allons, enfants de la patrie,
Le jour de gloire est arrivé!«
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Als Hoffmanns Verleger Reimer ihn 1818 zu einem dritten Erzählzyklus - nach den Fantasie- und den Nachtstücken - animiert, entscheidet sich der Autor, die Sammlung in eine Rahmenhandlung zu kleiden, die seiner Lebenswelt entlehnt ist. In den Jahren von 1814 bis 1818 traf sich E.T.A. Hoffmann regelmäßig mit literarischen Freunden, zu denen u.a. Fouqué und Chamisso gehörten, zu sogenannten Seraphinen-Abenden. Daraus entwickelt er die Serapionsbrüder, die sich gegenseitig als vermeintliche Autoren ihre Erzählungen vortragen und dabei dem serapiontischen Prinzip folgen, jede Form von Nachahmungspoetik und jeden sogenannten Realismus zu unterlassen, sondern allein das im Inneren des Künstlers geschaute Bild durch die Kunst der Poesie der Außenwelt zu zeigen. Der Zyklus enthält unter anderen diese Erzählungen: Rat Krespel, Die Fermate, Der Dichter und der Komponist, Ein Fragment aus dem Leben dreier Freunde, Der Artushof, Die Bergwerke zu Falun, Nußknacker und Mausekönig, Der Kampf der Sänger, Die Automate, Doge und Dogaresse, Meister Martin der Küfner und seine Gesellen, Das fremde Kind, Der unheimliche Gast, Das Fräulein von Scuderi, Spieler-Glück, Der Baron von B., Signor Formica
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