Sechzehnter Auftritt.

[201] Burgverließ. In der Mitte hängt eine brennende Lampe. Günther in Fesseln. Marie als ein grauer Mann.


GÜNTHER. Trauriges Menschenloos! Heute dünken wir uns so überglücklich, morgen schweben wir zwischen Leben und Tod. Windschauer – ein grauer Mann mit langem Bart, mit einer Blendlaterne in der Hand, steht vor ihm.

MANN. Fürchte nichts – ich bin hier, um dich zu retten.

GÜNTHER. Kommst du von dem Burgherrn? gesteht er endlich sein Unrecht, und will er mich frey ziehen lassen?[201]

MANN. Du schwärmst! Ich bin weder von dem Burgherrn geschickt, noch kenne ich ihn.

GÜNTHER. Du kennst ihn nicht? Wie konntest du wissen, daß ich hier im Gefängniß schmachte.

MANN. Darum frage mich nicht. Folge mir, oder es ist zu spät.

GÜNTHER. Und wenn ich gleich wüßte, daß ich unter den heftigsten Martern mein Leben enden sollte, so würde ich dir doch nicht eher folgen, als bis du mir zur Rede stehest.

MANN. Starrkopf! So bist du selbst an deinem Tode Schuld.

GÜNTHER. Wie? sterben soll ich? und warum?

MANN. Weil man dich für einen Ritter hält, der die Tochter des Burgherrn mordete. Dein Unglück ist, daß dich der Vater nicht kennt, und daß du eben jene Farbe und Rüstung trägst, wie jener Bösewicht. – Horch! deine Feinde kommen. Er zieht sich zurück.


Quelle:
Die romantisch-komischen Volksmärchen. Leipzig 1936, S. 201-202.
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