Siebenzehnter Auftritt.

[202] Vorige. Ritter Boodsheim mit seinen Knechten, welche Fackeln tragen.


BOODSHEIM. Nun, Bösewicht! hast du dich entschlossen, zu bekennen, damit ich gerecht richte.

GÜNTHER. Seit der Zeit, als ich hier im Kerker schmachte, haben sich meine Gesinnungen nicht geändert.

BOODSHEIM. So schleppt ihn zum Tode! Knechte! Die Knechte wollen über Günther herfallen. – Der Mann tritt vor.

MANN. Haltet ein – der Ritter ist unschuldig!

ALLE entsetzen sich. Der Burggeist! Die Fesseln entfallen Günther.

GÜNTHER. Ich bin frey! Wunderbar bin ich gerettet!

MANN. Boodsheim! wie strafbar seyd ihr! Wäre ich nicht herbey geeilt, dieses Unschuldigen Mord läge schwer auf eurer Seele. Wisset, eurer Tochter Mörder ist Otto von Löbenstein. – So eben beginnt das Gottesgericht. Günther! kämpfe mit ihm auf Leben und Tod – Gott ist ein gerechter Richter! Verschwindet. Donnerschlag. – Die ganze Bühne verwandelt sich in einen freyen Platz mit schwarzen Schranken. Mitten im Hintergrund eine Bühne schwarz behängt, worauf die Kampfrichter sitzen. – An den Bäumen und Logen hängen schwarze Tücher mit Wappen. Die zwey Lanzen, die beym Eingang stehen, sind mit einem schwarzen Flor behängt. Die Beysitzer des[202] Todengerichts sind schwarz gekleidet. – Eine dumpfe, majestätische Harmonie ertönt mit gedämpften Paucken und Trommeln.


Die Bosheit werd' enthüllet,

Beginnet das Gericht;

Der Ausspruch werd' erfüllet,

Vollführet eure Pflicht!


HANNS VON STAUFFEN als Kampfrichter. Im Nahmen Gottes und des Kaisers beginne ich, Hanns von Stauffen, Pannerherr des Reichs ein freyes, ehrliches Gottesgericht. – Nähert euch, ihr ehrbaren Kampfhelden! damit eure Schilde beschauet werden, ob ihr euch nicht bewahret habt mit Zeichen und Zauberkräutern. Die Schilde werden von den Lüßnern untersucht.

GÜNTHER tritt vor die Schranken. Auch ich bin hier, um für die gerechte Sache zu kämpfen. Ich Günther von Schwarzenau erscheine vor diesem ehrsamen Gottesgericht, und klage an auf Leben und Tod Otto von Löbenstein. – Er hat gemordet die Tochter dieses edlen Greisen.

HANNS. Getrauet ihr euch, diese Anklage durch dieses Blut und Todengericht zu beweisen?

GÜNTHER. Im Angesichte Gottes will ich den Mörder strafen.

HANNS. Und ihr – Löbenstein!

OTTO. Ich behaupte, daß die Anklage des Ritter Günthers falsch und ungerecht seye, dieß will ich mit Schwert und Kolbe beweisen – und Gott möge entscheiden.

HANNS. Wohlan denn – der Kirchner läute zum Gedinge, und ihr, Lüßner! bringt das geweihte Schwert. Dieß geschieht. Tretet näher, Kämpfer! und schwöret, daß ihr nach Sitte und Gesetz streiten wollet auf dieses geheiligte Schwert.

BEYDE. Wir schwören!

HANNS. So rüstet euch zum Kampf! – Kreißwärtel! nimm den Weidenstab, und schlage damit dreymal an die Lanze. Ritter Günther thue beym dritten Schlag den ersten Streich. Sieg! der gerechten Sache zum Frommen!

ALLE. Sieg der gerechten Sache! Feyerliche Pause. Der Kreißwärtel schlägt an die Lanze. Beym zweyten Schlag schreitet eine weisse Gestalt herein, bleibt vor Otto stehen.

GEIST. Otto! Gott wird entscheiden![203]

ALLE in Entsetzen. Was ist das?

HANNS. Vielleicht der Geist der Ermordeten!

OTTO. Zum Kampf, und wenn die Macht der Hölle dazwischen trätte! Der dritte Schlag an die Lanze geschieht – dumpfe Trommeln und Paucken. Vorige Harmonie, worunter der Kampf beginnt.


Den Frevler zu vernichten,

Der böse That verübt –

Wird Gott erschrecklich richten,

Weil er die Tugend liebt.


Pause in der Musik. – Zu Ende des Chors fällt Günther – Otto will ihm das Schwert durch das Herz stossen, es geschieht ein Donnerschlag, der unbekannte Greiß steht vor ihm, ergreift seine Hand.


GREISS. Otto! bekenne – du bist Agnesens Mörder.

OTTO sein Schwert entfällt ihm. Welche Angst durchbebt das Innerste meiner Gebeine – welch ein Zittern überfällt mich – wie diese grauenvolle Stimme mein tobendes Gewissen überschreyt. – Ja – Gott hat entschieden – ich bin Agnesens Mörder!

GREISS. So sey Gottes Gnade dein Richter. – Er verwandelt sich in den weiblichen Geist. Stirb den Tod von deiner Mutter Hand!

OTTO fällt. Meine Mutter! Alle im Entsetzen.

GEIST indem sie sich erhebt, und den blutigen Dolch schwingt. Es ist geschehen – ha – dieß war ein grosser Schritt zu meiner Vollendung! Alle bleiben im Erstaunen.

Der Vorhang fällt.


Quelle:
Die romantisch-komischen Volksmärchen. Leipzig 1936, S. 202-204.
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