Dreyzehnter Auftritt.

[217] Die Bühne verwandelt sich in eine ländliche Gegend. – Auf einer Seite ein Haus, nebenbey ein Brunnen.


KILIAN. Gott! wo bin ich – hier meine Wohnung – dieser Brunnen! ha! er erinnert mich an die letzte schreckliche That, die ich an meinem Weib verübte.

GÜNTHER. Hier in diesem Brunnen liegen die Gebeine deines Weibes begraben. Auf, Unglücklicher! vollziehe die letzte deiner Pflichten, um das Schicksal zu versöhnen. Steige hinab – der Geist deiner Gattin kann nur versöhnt werden, wenn deine Gebeine neben den ihrigen ruhen.

KILIAN. Ich bin zu allem bereit! Donnerschlag. – Ein fürchterliches Gewitter bricht aus. – Es wird finster. Kilian stürzt auf die Knie, mit erhobenen Händen.


Final-Musik.


Melodram.


KILIAN. Gott! du bist schrecklich in deinem Donner – Fürchterlich weckst du den Verbrecher – er bebt und zittert – und hoft auf deine Gnade –


Geister-Chor.


Ruhe winkt im düstern Grab,

Auf vollziehe deine Pflicht!

Steig mit vollem Muth hinab,

Müder Wandrer! zage nicht!


Melodram.


KILIAN. Ja – muthvoll will ich erfüllen des Schicksals Schluß – Steht auf. Ruhe suche ich – und Ruhe finde ich nur im Grabe. Er nähert sich dem Brunnen.

GEISTER-CHOR unter welchem er hinauf steigt.

Der Blitz durchkreuzt des Wetters Nacht,

Der Sturmwind heult – der Donner kracht –

Die Stunde naht –


[217] Der Blitz erschlägt den Müller, der Brunnen stürzt mit ihm ein, und versinkt. Nach diesem schrecklichen Donnerschlag und Akkord geht die brausende Musik in ein schmelzendes Adagio über. – Marie kommt als verklärter Geist, blendend weiß gekleidet, aus eben dieser Versenkung. – Sie hat einen Palmenkranz in den Händen.


Melodram.


Ich bin versöhnt – mir winket Friede und Ruhe – Jüngling! du hast ritterlich gekämpft, dir werde die verheissene Belohnung – In jener Mühle findest du einen Schatz begraben, er seye dein Erbtheil – Eile in Mathildens Arme, der Schutzgeist der Liebe sey dein Begleiter – Nur durch deinen Muth, durch deine Entschlossenheit wandle ich rein in die Gefilde der Seligen. – Sie erhebt sich – worunter folgender Sphären-Chor gesungen wird.


Chor.


Schön blüht in höhern Regionen

Die Friedens-Palme dir!

Dort wird die Vorsicht herrlich lohnen

Dich – Dulderinn! dafür!


Die Bühne verwandelt sich in ein Wolkentheater. – Im Hintergrunde ein transparenter Regenbogen – mitten in einer Schleyerwolke Jeriel in seiner Glorie. In der Mitte der Bühne ein Altar mit brennendem Feuer. Hans von Stauffen. Mathilde. Ritter Kleeberg. Alle Vorige. Mathilde eilt in Günthers Arme, der Vater hält seine segnenden Hände über Beyde.


SCHLUSS-CHOR worunter alles zur Erde stürzt.

Geist der Liebe! bleib bey uns,

Seye uns gewogen –

Laß als Friedenszeichen uns

Diesen Regenbogen.

Wo du thronst, da blühen schön

Deine reinre Triebe –

Laß uns froh durchs Leben gehn

An dem Arm der Liebe.

Der Vorhang fällt.

Ende.
[218]

Quelle:
Die romantisch-komischen Volksmärchen. Leipzig 1936, S. 217-219.
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