Zwölfter Auftritt.

[215] Unterirdische Höhle. Kilian in Fesseln – er hat einen langen Bart. Ritter Günther bleibt im Hintergrunde stehen.


KILIAN. Noch einmal will ich die Speisen geniessen, die ich aus der Hand meines Wohlthäters erhielt. Vielleicht nahet bald die Stunde, wo ich keiner mehr bedarf; ha! erwünscht sey mir der Augenblick meiner Erlösung Günther tritt vor. Gott! wen seh' ich – Geist oder Mensch?

GÜNTHER. Ein Mensch, der kommt, um Menschen zu retten! Tröstet euch, Kilian! das Ende eurer Leiden ist nahe –

KILIAN. Ihr kennet mich?

GÜNTHER. Der Vorsicht Wege sind wunderbar! Ihr seyd der Teufelsmüller!

KILIAN. Nennt diesen Nahmen nicht – seine Erinnerung ist für mich Höllenqual.

GÜNTHER. Beruhiget euch – ich bin gekommen, eure Fesseln zu lösen. Wie geriethet ihr in diese Höhle?

KILIAN. Ich nenne mich Ritter Kilian von Drachenfels; um Mord und Raub freyer üben zu können, bauete ich neben der Heerstrasse eine Mühle, und lockte Reisende dahin, um sie zu ermorden. Mein Weib verrieth mich – ich erschlug sie, floh aus der Mühle, um mich vor der Strafe zu sichern. Geister der Finsterniß brachten mich hieher – ich ward verdammt, 30 Jahre zu schmachten nach Leben und Tod, um für meine Greuelthaten zu büssen – Ein ehrlicher Einsiedler nährte mich bis hieher. –

GÜNTHER. Unglücklicher! die Ruhe deines Weibes fordert deine Rettung! – Folge mir!

KILIAN. Aber diese Fesseln?

GÜNTHER. Ich vertraue auf die Mitwirkung eines höheren Wesens – ich bin seines Beystandes gewiß. Die Fesseln lösen sich, und fallen auf die Erde. Kilian tritt vor.

KILIAN. Was ist das? – ist es ein Traum, was ich sehe – Ritter! gebt mir eure Hand – laßt sie mit meinen Thränen benetzen.

GÜNTHER. Und nun folgt mir aus dieser Mörderhöhle – um den letzten Befehl des Geistes zu erfüllen.

KILIAN. Ach – meinen Wohlthäter werde ich nicht mehr sehen, der Himmel lohne es ihm! Oft – wenn ich verzweiflungsvoll gegen mich selbst wüthete, da goß er lindernden Balsam in mein Herz. – Donnerschlag.[216]

DIE STIMME DES GEISTES. Fasse Muth, Unglücklicher! das Schicksal reichet dir die Hand zur Versöhnung! Stärkerer Donnerschlag.


Quelle:
Die romantisch-komischen Volksmärchen. Leipzig 1936, S. 215-217.
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