Fünfter Auftritt.

[207] Vorige. Mathilde als eine blinde Bettlerin, geleitet durch Jeriel, als Knaben.


HANNS. Woher kommst du, Unglückliche!

MATHILDE. Tief aus dem Ungarlande. Mein Mann war Krieger unter Maximilians Heere, er starb den Tod für's Vaterland gegen die Sarazenen. Ich gerieth in die Gefangenschaft jener Barbaren – sie beraubten mich des Augenlichtes, um nicht mehr zu sehen Gottes schöne Erde, um mich nicht mehr zu weiden an ihrer Herrlichkeit.[207]

HANNS bewegt. Armes Weib!

MATHILDE. Nun führt mich mein Sohn umher, um gute Menschen zu suchen, die mir das Brod reichen, um mich kümmerlich zu ernähren.

HANNS nimmt den Kleinen, bewegt. Das sollst du nicht länger, gutes Kind! du sollst bey mir bleiben – ich habe keinen Erben meiner Habe – um meine einzige Tochter haben sie mich schändlich betrogen, die Buben! Du willst doch bey mir bleiben, lieber Kleiner! Schmeichelt ihm.

JERIEL. Wer wird aber die Mutter führen – wer wird sie nähren und pflegen, wenn sie mich nicht mehr hat?

HANNS. Berthold! leite die Mutter dieses Kindes in mein kostbarstes Gemach – reich ihr alles, was sie verlangt – diese arme Menschen sollen mir den Verlust meiner Tochter ersetzen – diesen Knaben will ich an Kindesstatt aufnehmen, ihn erziehen zum wackern Ritter – er soll der Erbe meiner Güter werden, und mir dann, wenn ich sterbe, mit dankbaren Thränen die Augen zudrücken.

MATHILDE. Was wird aber eure Tochter Mathilde dazu sagen, wenn sie zurückkehrt, und diese ungebetenen Erben auf eurer Burg findet?

HANS staunend. Mathilde – meine Tochter? sagst du?

JERIEL. Wie? wenn sie noch lebte?

HANS läßt ihn langsam zur Erde nieder, in tiefem Hinstarren. Wenn sie noch lebte? Jeriel winkt, das Bettlerkleid entfällt Mathilden, er verschwindet.

MATHILDE. Sie lebt, und liegt zu euren Füssen! Mein Vater!

HANS. Mathilde! Heisse Umarmung.

BERTHOLD. Gott! was ist das?

HANS. Komm an mein Herz – Mathilde! fühle, wie es der wiedergefundenen Tochter entgegen schlägt. – Gott! heute fühlte ich zum erstenmal, daß ein reicher Vater ohne Kinder ein armseliges Geschöpf ist – Berthold! schicke mehrere Knechte nach der Herberge am Wienerberg – dort werden sie Günther finden – lade alle Ritter und Nachbarn ein, und mache Anstalt zur Verlobung, Berthold ab. ich will mich freuen, will jubeln – denn ich habe meine Tochter wieder gefunden, und was nützten mir alle Schätze der Welt, wenn ich sie ohne Kinder, ohne Enkel verlassen müßte.

MATHILDE. O guter Vater! Küßt ihm die Hände.

HANS. Ich war ein armer Mann, denn ich hatte kein Kind – jetzt bin[208] ich reich, ich habe meine Tochter wieder. O Gott! der Mann fühlt des Lebensfreuden nur zur Hälfte, der keine Kinder hat. Ab.


Quelle:
Die romantisch-komischen Volksmärchen. Leipzig 1936, S. 207-209.
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