An den Schlaf

[69] Aus dem Spanischen.


O Schlummer, sanfter Sohn der schattenreichen,

Thauenden Nacht, der armen Menschen Zuflucht,

Ein süß Vergessen aller, aller Uebel,

Die, ach, so schwer, so hart das Leben drücken,


Komm endlich, komm und gieb dem schmachtend matten,

Ruhlosen Herzen Ruhe! diese Glieder,

So schwach, so welk, erquicke sie und breite,

O Schlummer, über mich die braunen Schwingen!


Wo ist das Schweigen, das vor Licht und Tage

So furchtsam fliehet? wo die leichten Träume,

Die sonst mit gaukelnd ungesporntem Tritte

So bald, so gerne Dir zu folgen pflegen?


Vergebens ruf' ich Dir, vergebens winsle

Elender Ich Euch vor, Ihr schwarzen, kalten,

Trostlosen Schatten. O der harten Flaume!

Und o der herben, bittern langen Nächte!


Quelle:
Johann Gottfried Herder: Werke. Erster Theil. Gedichte, Berlin 1879, S. 69.
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