Streit mit sich selbst

[69] Aus dem Spanischen.


Wie ein armer Christensklave,

Wenn ein Kreuzessegel aufblickt,

Auf Korsarens drohend Rufen

Mächt'ger nun zum Ruder greifet:


Dorthin hoffen seine Blicke,

Hieher rudern seine Hände,

Bis zu einer fernen Wolke

Sich sein Rettungssegel dämmert.
[69]

Bitter fließen seine Thränen

In die blauen, stillen Wellen;

Lauter klingen seine Ketten,

Und das Ruder seufzet traurig:

»Warum weinst Du? warum weinst Du?

Ruderst doch mit allen Kräften

Selbst Dich in Dein Elend.«


Also wein' ich, also blick' ich

Hin zum fernen Rettungssegel;

Lauter klingen meine Ketten,

Und mein Ruder seufzet traurig:

»Warum weinst Du? warum weinst Du?

Ruderst doch mit allen Kräften

Selbst Dich in Dein Elend.«


Fleuch heran, Du Kreuzessegel,

Und Du, Wind des guten Geistes,

Weh's heran! Ihr blauen Wellen,

Die Ihr meine Thrän' empfanget,


Bringt es! Ach, wenn ich der Ketten,

Dieser Ketten los noch würde

Und mein Vaterland noch sähe,

Ach, der Sklave wär' ein Konig!


Quelle:
Johann Gottfried Herder: Werke. Erster Theil. Gedichte, Berlin 1879, S. 69-70.
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