Schwur

[412] Beim heil'gen Feu'r, das Jovah in mich goß,

Beim Flammenmeer, aus dem es floß,

Bei dieses Hauptes göttlichstem Gedanken,

Den selbst mein Engel mir als Lobschrift schrieb,

Und seinem edelsten Gedanken,

Der auch dem Busenfreund ein Räthsel blieb,

Bei meines heil'gen Altars heil'gem Gold,

Und dem er seinen Weihrauch zollt,

Bei mir, der in mir gilt,

Schwör' ich. Du, hör es, der auf Feuerthronen

Entschluß und That mit Gottes Wage wiegt,

Ihr Tausend, die (ich feire) um mich wohnen,

Die Ihr vor meinem Wort auf Eurem Antlitz liegt,

Du Geist, der meines Herzens Tiefen rügt,

Hör's, Richter in mir, dessen Donnerstimme

Wie Sturm von Ocean aufbrüllt,

Dann, in Obadonnons Wolken schwarz verhüllt,

Zum Himmel donnert, zum entschlafnen Grimme,

Der meinem Haupt vielleicht schon sieben Schalen füllt,

Du, eine Stimme, die in Nachtmelancholien

Gespensterfurchtbar Rechnung mit mir hält,

Mir meines Leichnams, ach! ermord'te Phantasien,

Auch Eltern, Freund und meine Lasterwelt,

Den schwarzen Unmensch, mich, mir hinstellt;

Ach, Bild! – und schweigt! – O hör's, allmächt'ge Stimme,

Die mir, ich seh' und beb', gewiß auch diese Zeugenwelt,

Gewiß, gewiß vor Augen stellt!

Ich beb'! der Richter, Engel, ich! – Ich höre! –

Es donnert – um mich rauscht's wie Heere;

In mir wie still! Gott? Engel, ich, ich höre!

Erbebe, Herz, und schwöre!


Quelle:
Johann Gottfried Herder: Werke. Erster Theil. Gedichte, Berlin 1879, S. 412-413.
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